§ 50 Universalismus, Pluralismus und Toleranz

I. Universalismus

Literatur: Christoph Antweiler, Was ist den Menschen gemeinsam?, 2. Aufl. 2009; André-Jean Arnaud, Universalismus versus Globalisierung: Der Bruch in der Geschichte des westlichen Rechtsdenkens, ZfRSoz 23, 2002, 251-275; Larry Catá Backer, The Crisis of Secular Liberalism and the Constitutional State in Comparative Perspective: Religion, Rule of Law, and Democratic Organization of Religion Privileging States, Cornell International Law Journal 48, 2015 = SSRN 2424999; Mark Goodale, The Myth of Universality: The UNESCO »Philosophers’ Committee« and the Making of Human Rights, Law & Social Inquiry 43, 2018, 596–617; Klaus Günther, Universalistische Normbegründung und Normanwendung in Recht und Moral, ARSP-Beiheft 45, 1992, 36-76; Domicele Jonauskaite u. a., Universal Patterns in Color-Emotion Associations Are Further Shaped by Linguistic and Geographic Proximity, Psychological Science , 2020, 956797620948810; Günter Nooke u. a. (Hg.), Gelten Menschenrechte universal?, 2008; Hans-Martin Pawlowski/Gerd Roellecke (Hg.), Der Universalitätsanspruch des demokratischen Rechtsstaates, 1996; Sybille de La Rosa u. a. (Hg.), Transkulturelle Politische Theorie. Eine Einführung, 2016; Sibylle Tönnies, Der westliche Universalismus. Die Denkwelt der Menschenrechte, 3. Aufl. 2001.

Von der Allgemeinheit des Gesetzes ist die universelle Geltung zu unterscheiden, die quasi naturrechtlich für bestimmte Menschenrechte und allgemeine Rechtsprinzipien in Anspruch genommen wird. Ihre Ursprünge liegen in der hellenistischen Philosophenschule der Stoa. Deren Kennzeichen war ein freiheitlicher Kosmopolitanismus:

»Wir sollten nicht in Poleis (Städten) und Bevölkerungen getrennt leben, die je ihr besonderes Recht haben, sondern glauben, daß alle Menschen unsere Volksgenossen und Mitbürger seien. Es sollte nur eine Lebensform und eine Verfassung geben, gleich wie eine zusammen weidende Herde nach gemeinsamem Gesetz aufgezogen wird.« (Fragment eines unbekannten Autors)

Die Universal Declaration of Human Rights, die am 10. 12. 1948 von der Vollversammlung der UN in Paris verabschiedet wurde, trägt den Universalismus schon im Namen. Ihre Rechtsgeltung bezieht sie jedoch nicht aus der zugrundeliegenden Idee, sondern aus dem Rechtsetzungsakt der UN und seiner Transformation in den Mitgliedsstaaten. Das nationale und das europäische Recht hat die Rechtsvorstellungen, für die universelle Geltung in Anspruch genommen wird, weitgehend positiv inkorporiert.

Im Zuge der Globalisierung wird immer deutlicher, dass die Rechtssysteme der westlichen Industriegesellschaften einen Universalismus ihrer Werte und Prinzipien implizieren. Wesentlicher Bestandteil sind die liberalen Grundideen von Freiheit, Gleichheit und Demokratie, die nicht überall akzeptiert werden. Zugleich hat kulturelle Vielfalt einen Eigenwert gewonnen. Universalistische Vorstellungen werden unter dem Aspekt von Critical Whiteness als eurozentrisch und postkolonial zurückgewiesen. Zumal gegen die Konkurrenz von Religionen ist das säkulare Recht relativ wehrlos (Backer).

Die Allgemeine Rechtslehre erhebt keinen Anspruch, die universelle Geltung eines Kernbestands von Recht philosophisch zu begründen. Sie geht davon aus, dass  die ökologische Kapazität der Erde überfordert ist, dass die westlichen Industrienationen daran überproportional Anteil haben und sich daraus eine Moral der Nachhaltigkeit entwickeln muss, die große Anforderungen an das nationale ebenso wie das übernationale Recht stellen wird.

II. Pluralismus, Toleranz und Akzeptanz

III. Fairness als Ausprägung von Toleranz

IV. Weltkultur