Literatur: Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, 1968, 5. Aufl. 1991; Wilhelm K. Essler, Wissenschaftsheorie, 4 Bde., 1970; Paul K. Feyerabend, Wider den Methodenzwang: Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie, 1979, 9. Aufl. 2004; ders., Erkenntnis für freie Menschen, 1980; Carl Gustav Hempel/Paul Oppenheim, Studies in the Logic of Explanation, in: Philosophy of Science 15 (1948), 135–175; Stephan Kornmesser/Wilhelm Büttemeyer, Wissenschaftstheorie. Eine Einführung, 2020; Franz von Kutschera, Wissenschaftstheorie, 2 Bde., 1972; Karl R. Popper, Logik der Forschung, 1935, 11. Aufl. 2005; Duncan Pritchard, What is this Thing Called Knowledge?, 5 Aufl. 2023; Hilary Putnam, Von einem realistischen Standpunkt, 1993; ders., Für eine Erneuerung der Philosophie, 1997; Moritz Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre, 2. Aufl. 1925; Gerhard Schurz, Einführung in die Wissenschaftstheorie, 2. Aufl. 2008; Wolfgang Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und analytischen Philosophie, 4 Bde., 1969.
I. Das Fundamentalproblem der Wissenschaft
Die Wissenschaftstheorie ist ein Kind der Moderne. Sie stellt die Frage, was wir überhaupt wissen können, wie wir zu unserem Wissen gelangen und was unser Wissen taugt. Dabei stößt sie schnell auf das so genannte Fundamentalproblem der Philosophie, die Frage nämlich: Wo finden wir einen sicheren Anfang, auf dem wir bauen können? In der Vernunft, in der Erfahrung, im Glauben?
Dieses Problem ist seit dem Altertum als Agrippa-Dilemma bekannt (Pritchard S. 33ff) und ist von Hans Albert als Münchhausen-Dilemma neu formuliert worden (u. § 17 VIII).
Seit man den Glauben verloren hatte, standen sich Empirismus und Rationalismus als Alternativen gegenüber. Der französische Philosoph René Descartes (1596-1650) wurde zur maßgeblichen Autorität für den Rationalismus, die Auffassung also, dass der menschliche Verstand Ausgangspunkt und Grundlage aller Erkenntnis sei. Dafür steht sein berühmtes Dictum ego cogito, ergo sum (Ich denke, also bin ich) aus den »Meditationes de prima philosophia« aus dem Jahr 1641. Diese Auffassung wird daher auch Cartesianismus genannt.
Mit dem Cartesianismus verbindet sich die Annahme, dass die Welt etwas dem Verstand gegenüber Externes darstellt, das über die Sinne rezipiert und im Verstand abgebildet wird. Deshalb ist auch von einer Abbildtheorie oder von Repräsentationalismus die Rede. Kritisch spricht man heute von der Subjekt-Objekt-Spaltung. Darauf müssen wir bei der Suche nach dem Subjekt subjektiver Rechte zurückkommen (u. § 83 V).
Der Empirismus als klassische Gegenposition, nach der allein die Erfahrung dem Wissen einen sicheren Grund gibt, wird gewöhnlich an den Engländern Francis Bacon und David Hume festgemacht. Diese Position wird auch als wissenschaftlicher Positivismus bezeichnet, weil sie nur akzeptiert, was in der Welt positiv, das heißt, mit den Sinnen erfahrbar ist.
Seit Kant gilt jedoch, dass weder Vernunft noch Erfahrung den sicheren Anfang garantieren, dass beide vielmehr zusammen gehen müssen, und dass das Ding an sich uns dennoch verborgen bleibt, weil unser Wissen ein Konstrukt unseres Verstandes ist. Postmoderne Wissenschaftstheorie geht noch einen radikalen Schritt weiter, indem sie behauptet, dass alles Wissen letztlich im gesellschaftlichen Zusammenleben entsteht (»konstruiert wird). Die Moderne war jedoch vom Empirismus geprägt, und ein aufgeklärter Empirismus (Neopositivismus), wie ihn Karl R. Popper populär gemacht hat, bestimmt auch heute noch das Denken vieler Menschen und wohl des Mainstream der Juristen.
II. Das empiristische Sinnkriterium
III. Deduktiv-nomologische Erklärungen
IV. Induktion und Falsifizierung
V. Wissenschaftssoziologische und historische Relativierung des Empirismus
VI. Kognition und Leiblichlichkeit
Literatur: Barbara Becker, Leiblichkeit und Kognition. Anmerkungen zum Programm der Kognitionswissenschaften, in Peter Gold/Andreas K. Engel (Hrsg.) Der Mensch in der Perspektive der Kognitionswissenschaften, 1998, 270-288; Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966; Alexandre Métraux/Bernhard Waldenfels (Hrsg.), Leibhaftige Vernunft, Spuren von Merleau-Pontys Denken, 1986; Bernhard Waldenfels, Der Spielraum des Verhaltens, 1980; ders., Phänomenologie in Frankreich, 1983.
Eine wichtige Kritik des cartesianischen Rationalismus kommt aus der (phänomenologischen) Philosophie (Merleau-Ponty, Waldenfels). Sie besagt, dass der damit verbundene Subjekt-Objekt-Dualismus für eine verfehlte Isolierung von Leib und Seele bzw. Körper und Geist verantwortlich sei. Auch wenn das Phänomen des Selbstbewusstseins, das Decartes zum Fundament der Vernunft erklärte, noch immer rätselhaft ist, wird heute niemand ernstlich bestreiten, dass Vernunft und Erfahrung nicht unabhängig von einer körperlichen Basis operieren. Wahrnehmungsphysiologie und Wahrnehmungspsychologie zeigen in vielfältiger Weise die körperliche Bedingtheit der Kognition (Becker). Daher lässt sich kaum noch zwischen naturwissenschaftlicher, anthropologischer und philosophischer Erkenntnistheorie unterscheiden. Wir sehen darin aber keinen Grund, die Subjekt-Objekt-Unterscheidung über Bord zu werfen, denn alles, was in diesem Zusammenhang von Körper und Geist gesagt wird, wird eben doch aus der Position eines selbstbewussten Beobachters gesagt, der als Subjekt über eine Objektwelt berichtet. Die von der Phänomenologie geforderte holistische Betrachtung von Geistigkeit und Leiblichkeit (auch des Rechts) verweisen wir in die Ästhetik (u. § 21).