I. Was ist Privatrechtstheorie?
Literatur: Franz Bydlinski, Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, 1994; Werner Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2: Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979; Christian Joerges/Michelle Everson, Une querelle allemande? Der Streit um die Wirtschaftsverfassung zwischen Ernst-Joachim Mestmäcker und Rudolf Wiethölter, KJ 2019, 479-502; Anthony T. Kronman, Contract Law and Distributive Justice, Yale Law Journal 89, 1980, 473-513; Ernest J. Weinrib, The Idea of Private Law, 2012; ders., Reciprocal Freedom, 2022; Rudolf Wiethölter, Privatrecht als Gesellschaftstheorie?, FS Ludwig Raiser, 1974, 645-695; Sarah Worthington/Andrew Robertson/Graham Virgo, Revolution and Evolution in Private Law, 2018.
Die Begriffe Bürgerliches Recht, Zivilrecht und Privatrecht werden oft gleichbedeutend verwendet. Deshalb sei eine Mahnung zitiert:
»Bürgerliches Recht (Zivilrecht, aber nicht: civil law) ist indes ein gegenständlich beschreibbarer Teil des Privatrechts. Privatrecht dagegen ist nicht durch seine Gegenstände, sondern durch seine Rechtsfolgen definiert. Sie (und nur sie) grenzen es vom öffentlichen Recht ab. Arbeits, Gesellschafts und Wettbewerbsrecht bestehen deshalb sowohl aus privat als auch aus öffentlich-rechtlichen Regeln; Privatrecht andererseits kann ohne Weiteres dem Rang und der Quelle nach Verfassungsrecht sein, wie u. a. das Recht des immateriellen Ersatzes bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lehrt.« (Christan von Bar, Rezension von Jens Eisfeld u. a., Zivilrechtswissenschaft (2024), Rabels Z 2024
Mit dem Privatrecht verbindet sich die Hoffnung, es könne den Bürgern einen geschützten Raum zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit, ihrer Fähigkeiten und ihrer Schaffenskraft bieten. Kritisch wird dem Privatrecht die Konditionierung der Menschen zu egoistischen Individuen oder eine Aufforderung zur Selbstoptimierung angelastet. Das Privatrecht bildet zugleich die Basis des Wirtschaftssystems und muss sich deshalb mit der seit Karl Marx andauernden Kapitalismuskritik auseinandersetzen. Nicht zuletzt wird dem Privatrecht vorgehalten, dass es keine Antwort auf Globalisierung und Digitalisierung, auf die Entgrenzung von Natur und Technik sowie auf die Zerstörung von Umwelt und Weltklima habe. Damit steht das Privatrecht unter einem Rechtfertigungszwang, der eine spezifische Theoriediskussion zur Folge hat.
Zeitweise hatte man den Eindruck, als ob das Privatrecht von Sozialkritik und öffentlichem Recht erdrückt würde. Doch es gibt eine Renaissance der Privatrechtstheorie, erkennbar an einer Flut von einschlägigen Monografien und den Zivilrechtslehrertagungen von 2015 und 2017.
Beinahe im Jahresrhythmus erscheinen einschlägige Habilitationsschriften zum Thema: Stefan Arnold, Vertrag und Verteilung. Die Bedeutung der iustitia distributiva im Vertragsrecht, 2014; Marietta Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014; Johanna Croon-Gestefeld, Gemeininteressen im Privatrecht, 2022; Tim Florstedt, Recht als Symmetrie 2015; Michael Grünberger, Personale Gleichheit. Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Zivilrecht, 2013; Alexander Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016; Bernhard Jakl, Handlungshoheit. Die normative Struktur der bestehenden Dogmatik und ihrer Materialisierung im deutschen und europäischen Schuldvertragsrecht 2019; Oliver Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm 2018; Markus Rehberg, Das Rechtfertigungsprinzip. Eine Vertragstheorie, 2014; Florian Rödl, Gerechtigkeit unter freien Gleichen 2015; Jürgen Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Jan-Erik Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023; Matthias Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019; Dan Wielsch, Zugangsregeln, 2008.
Die Tagungen der Zivilrechtslehrer sind in Sonderausgaben des AcP 216, 2016 und 218, 2018 dokumentiert. Aus einer weiteren Tagung, auf der die Monografien von Dan Wielsch (2008), Marietta Auer (2014) und Florian Rödl (2015) diskutiert wurden, ist der von Grünberger und Jansen hg. Band »Privatrechtstheorie heute« (2017) entstanden. Zur Einordnung Günther Hönn, Privatautonomie von innen und außen – Zur Materialisierungsdebatte im Vertragsrecht, JZ 2021, 693-701. 2019 tagten die Staatsrechtslehrer mit dem Generalthema »Öffentliches Recht und Privatrecht« (VVDSt Bd. 79, 2020). 2024 ist ein Sammelband »Zivilrechtswissenschaft« von Jens Eisfeld u. a. erschienen.
Im weitesten Sinne gehören zur Privatrechtstheorie alle allgemeinen Aussagen über das Privatrecht angefangen von dessen Abgrenzung von anderen Rechtsgebieten, insbesondere vom öffentlichen Recht, bis hin zu materiellen Prinzipien, die für das Privatrecht maßgeblich sein sollen. Die spezifische Privatrechtstheorie (wie sie prominent von Bydlinski vertreten wird) behauptet jedoch, dass das Privatrecht gleichrangig neben dem öffentlichen Recht stehe und durch unverfügbare Prinzipien charakterisiert sei.
In der Regel ist Privatrechtstheorie normativ, das heißt, sie bezieht mehr oder weniger affirmativ Stellung zum Grundsatz der Privatautonomie. Eine starke Version behauptet die Unverfügbarkeit insbesondere von Vertragsfreiheit, Eigentum und Erbrecht sowie der Selbstbestimmung über den eigenen Körper, über Ehe und Familie. Danach dürfen diese Institutionen ihre Gestalt grundsätzlich nur durch dispositives Recht erhalten. In einer schwächeren Version bilden Einschränkungen der Autonomie die begründungsbedürftige Ausnahme.
Privatrechtstheorie kann auch funktional ansetzen, indem sie beschreibt, wie Privatautonomie den Rechtssubjekten Raum zu wirtschaftlicher Betätigung und zur Gestaltung ihres Lebens eröffnet. Dabei ist nicht nur an die individuelle Lebensführung zu denken, sondern auch an einen Freiraum zur Selbstregulierung der Gesellschaft. Am meisten diskutiert wird die Funktion des Privatrechts als Voraussetzung der Marktwirtschaft. Diese Funktion lässt sich nur aufrechterhalten, wenn die Privatautonomie daran gehindert wird, sich mit ihren eigenen Instrumenten abzuschaffen. Dazu bedarf es insbesondere des Wettbewerbs- und Kartellrechts. Funktional ist auch eine Privatrechtstheorie, die sich als Lehre der sachgebietseigenen Gesetzlichkeiten versteht, die jede rechtliche Regelung zu berücksichtigen habe. Diese Vorstellung spiegelt sich im IPR, wenn es in Fällen mit Auslandsberührung danach fragt, welches der in Betracht kommenden Rechte das beste und richtige Recht sei.
Ferner gibt es ein Verständnis von Privatrechtstheorie, das die externe Beobachtung des positiven Privatrechts einschließt. Dazu gehören insbesondere die Suche nach einer Gesellschaftstheorie hinter dem Privatrecht, wie sie von Wiethölter vorgeführt wurde, die Beobachtung oder gar die Instrumentalisierung des Privatrechts aus ökonomischer Perspektive oder der Blick auf das Privatrecht als evolutionäres Geschehen (Worthington u. a.).
Dieses interdisziplinär ausgerichtete Verständnis liegt dem Reader von Grundmann/Micklitz zugrunde, einer umfangreichen Sammlung von wichtigen Texten, die von den Herausgebern thematisch geordnet und eingeleitet werden (Stefan Grundmann/Hans W. Micklitz, Hg., Privatrechtstheorie. Moderne Theoriebildung im Globalen Raum zwischen Rechts- und Gesellschaftswissenschaften, 2015 (Rezensionen von Marietta Auer in AcP 216, 2016, 805-810, und Lorenz Kähler, Privatrechtstheorie als Theorienmosaik?, Rechtswissenschaft 7, 2016, 270-292). Grundmann gibt sich jedoch nicht mit Interdisziplinarität zufrieden, sondern fordert eine »pluralistische« Interdisziplinarität (Pluralistische Privatrechtstheorie, RabelsZ 86, 2022, 364-420).
Der Sonderstatus, den starke Versionen der Theorie für das Privatrecht beanspruchen, knüpft an die Vorstellung, dass Privatautonomie als Ausfluss der natürlichen Freiheit schon vor allem Recht besteht und Rechtsgeschäfte eigentlich auch ohne Mitwirkung eines Gesetzgebers Rechtswirkungen nach sich ziehen. Diese naturrechtliche Basis wankt, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass die natürliche Freiheit als negative Freiheit keinen Rechtsschutz bietet (o. § 26 II).
Die Unterscheidung vom öffentlichen Recht impliziert die Trennung von Staat und Gesellschaft. Von diesem Ausgangspunkt her liegt es nahe, die Privatrechtstheorie auf die klassische Unterscheidung von justitia commutativa und justitia distributiva zu gründen. Verteilungsgerechtigkeit wäre danach Sache des Staates und damit des öffentlichen Rechts. Das Privatrecht hätte die Aufgabe, für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen. Diesen alten Ansatz haben in neuerer Zeit Rödl und in den USA Coleman und Weinrib wiederzubeleben versucht. Auch der Sammelband von Ben Köhler/Franz Bauer, Proportionality in Private Law, 2023, ist hier einschlägig.
Coleman kritisiert mit einem Bilateralismusargument die Übernahme des ökonomischen Ansatzes durch die Justiz, weil er der normativen Beziehung zwischen den Parteien nicht gerecht werde. Die Ökonomen blickten ex ante auf hypothetische Schadensfälle unter dem Gesichtspunkt der Kosten- und Risikominimierung. Dagegen hätten die Gerichte ex post reale Schadensfälle zu beurteilen, die zwei ganz konkrete Parteien beträfen, die aufgrund des Schadensereignisses miteinander in einer normativen Beziehung stünden. Man analysiere dabei ex ante hypothetische Schadensfälle unter dem Gesichtspunkt der Kosten- und Risikominimierung (Jules L. Coleman, Tort Law and the Demands of Corrective Justice, Indiana Law Journal 67, 1992, 349-380; ders., The Practice of Principle, dort S. 18 Fn. 7 weitere Nachweise). Für Weinrib beschränkt sich das Privatrecht auf die Ordnung des Verhältnisses der unmittelbar Beteiligten. Das Vertragsrecht als Kern des Privatrechts sei »bipolar«, weil es Rechte und Pflichten der (in der Regel) zwei Vertragsparteien ordnet. Ordnungsidee ist insoweit corrective justice. Solche Korrektur soll der justitia commutativa entsprechen. Auf Aristoteles darf Weinrib sich allerdings nicht berufen, denn Aristoteles verband mit der ausgleichenden Gerechtigkeit das materielle Äquivalenzprinzip (o. ), nicht aber eine Bewertung nach dem Parteiwillen. Auch sonst geht die Zuordnung der ausgleichenden Gerechtigkeit zum Privatrecht und der austeilenden Gerechtigkeit zum Staat nicht auf, weil der Staat letztlich über keine anderen Gerechtigkeitsmaßstäbe verfügt als seine Bürger ( ). Zur Privatrechtstheorie in den USA gut informierend Eike Götz Hosemann, »The New Private Law«: Die neue amerikanische Privatrechtswissenschaft in historischer und vergleichender Perspektive, RabelsZ 78, 2014, 37-70; ferner Shyamkrishna Balganesh, Interactional Ordering: Reconstructing Lon Fuller’s Theory of Private Law, 2024, SSRN 4888472.
Den Kern des Privatrechts bildet die Privatautonomie nach Maßgabe der Willenstheorie : Stat pro ratione voluntas. Der Wille = individuelle Selbstbestimmung entscheidet, ohne an Kriterien von Rationalität, Moralität oder Gerechtigkeit gebunden zu sein. Wenn Eltern ohne ersichtlichen Grund, wie es scheint, rein willkürlich, eines von mehreren Kindern zum Alleinerben einsetzen, so wird das vom Recht akzeptiert. Soweit die Privatautonomie reicht, ist die Frage nach der Gerechtigkeit gegenstandslos.
Nach der Willenstheorie hängt die Wirkung privatrechtlicher Gestaltungen nicht von den distributiven Folgen der Willensbetätigung ab, aber doch von deren Freiwilligkeit, die allein bei Täuschung oder Zwang entfällt (§123 BGB). Die Unterscheidung von Zwang und Freiwilligkeit ist ein Problem für sich. Sie geht nur auf, wenn man sie (mit Thomas Gutmann) als dichotomisch ansieht (u. § 102 V). Wer dagegen zwischen Zwang und Freiwilligkeit einen gleitenden Übergang annimmt, kann ausbeuterische Verhältnisse als Zwang einordnen und gelangt auf diesem Umweg dazu, distributive Folgen der Willensbetätigung für relevant zu halten, so z. B. Kronman in einem viel zitierten Aufsatz. Ähnlich liegt es mit der Täuschung, wenn man insoweit nicht vorsätzliche Aktivität fordert, sondern Informationspflichten ausreichen lässt. Der Gesetzgeber hält sich freilich nicht an die reine Lehre, sondern verordnet Pflichtteilsrechte, gelegentlich auch Höchst- oder Mindestpreise (im Mietrecht oder für den Architektenvertrag) und erklärt ausbeuterische Geschäfte für nichtig (§ 138 BGB).
Die Privatautonomie zeigt sich als Selbstbestimmung in den privatrechtlich geordneten Institutionen. Im Vordergrund stehen Vertrag, Eigentum und Erbrecht sowie Vereine und Gesellschaften. Die Privatautonomie erstreckt sich aber auch auf die Persönlichkeit sowie auf Ehe und Familie.
Die Rechtssubjekte üben ihre Privatautonomie durch Rechtsgeschäfte aus. Für das Privatrecht ist die Unterscheidung zwischen Rechtsgeschäft und rechtlich relevantem Verhalten grundlegend (Flume S. 113ff). Ein Rechtsgeschäft hat Rechtsfolgen, weil die Parteien es so gewollt haben. Rechtlich relevantes Verhalten dagegen hat Rechtsfolgen, die ihm vom Gesetz beigelegt werden.
Flume (S. 115) meinte, das Privatrecht verliere an innerer Stärke, weil – etwa durch die Anerkennung von Anscheinsvollmachten und Vertrauenshaftung – mehr und mehr Verhalten ohne Rechtsfolgewillen in die Lehre von der Willenserklärung einbezogen werde. Der Einbau in die Lehre von der Willenserklärung dient allerdings nur vorläufig der Begründung neuer extralegaler Schuldverhältnisse. Letztlich könnten diese durch eine Stärkung der Verkehrssicherheit der Privatautonomie sogar aufhelfen.
Das praktisch wichtigste Rechtsgeschäft ist der Austauschvertrag. Aber auch die anderen Institutionen des Privatrechts (u. § 93) haben gemeinsam, dass die Beteiligten davon mit Hilfe von Rechtsgeschäften Gebrauch machen. Die Übereignung ist ebenso ein Rechtsgeschäft die Eheschließung oder die Erbeinsetzung. Für alle Rechtsgeschäfte ist der Wille der Beteiligten die wichtigste Instanz. Durch die Anerkennung subjektiver Rechte bleibt der Wille auch für die Durchsetzung im Gerichtsverfahren maßgeblich.
Was leicht übersehen wird: auch Realakte gehören zur Privatautonomie, soweit sie von subjektiven Rechten gedeckt sind. In den Bereich der Privatautonomie fällt schon die praktische Nutzung von Besitz und der Gebrauch des Eigentums ebenso wie die Nutzung von Freiheiten aller Art. Zum Privatrecht gehören deshalb auch die gesetzlichen Schuldverhältnisse, die an solche Realakte Rechtsfolgen knüpfen. Das gilt insbesondere für das Deliktsrecht. Die gesetzlichen Schuldverhältnisse begründen keine Einschränkung der Privatautonomie, sondern dienen einer Abgrenzung der verschiedenen Freiheitssphären. Insoweit immerhin funktioniert der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit recht gut.
II. Die Prioritätsfrage
Im Hintergrund aller Privatrechtstheorie steht die Frage: was ist primär, die Gesellschaft oder die (vertragsschließenden) Individuen?
Beispielhaft etwa sagt etwa Luhmann mit Verweis auf Durkheim:
»Nicht die Individuen begründen die Gesellschaft, indem sie sich zum Zusammenleben entschließen und einen entsprechenden Vertrag schließen, sondern die Gesellschaft begründet die Individuen, indem sie es ihnen ermöglicht, sich als Individuen zu behandeln, Verträge zu schließen, sich wechselseitig zu binden, verantwortlich zu machen, zu sanktionieren.« (Die gesellschaftliche Differenzierung und das Individuum, in: Luhmann, Soziologische Aufklärung Bd. 6, 1995, 125/129f).
Die abstrakt theoretischen Überlegungen, ob die Privatautonomie ursprünglicher sei als ihr Rechtsschutz durch die Gemeinschaft, laufen auf ein Henne-Ei-Problem hinaus. Man muss hier oder dort beginnen, um dann den richtigen Mittelweg zu finden. Wir haben aus rechtstheoretischer Perspektive bereits Stellung bezogen, indem wir die Privatautonomie als eine vom Recht verliehene Kompetenz eingeordnet haben. Noch grundlegender: Auch die Rechtsfähigkeit ist nicht naturrechtlich vorgegeben, sondern wird erst vom Recht verliehen (u. § 96 IV).
Aber damit ist noch kein Endpunkt erreicht, denn die Frage nach der Grundlage des öffentlichen Rechts drängt sich auf. Ihre zeitgemäße Antwort findet sie in den verschiedenen Anerkennungstheorien (o. 54 III). Die aber stellen wiederum auf die noch nicht vergesellschafteten Individuen ab. So dreht man sich im Kreise oder vielmehr, es geht um ein Rekursivitätsproblem, das sich theoretisch durch Werturteile und faktisch dadurch löst, dass Staat und Gesellschaft sich wechselseitig in der Schwebe halten. Das wichtigste Werturteil, das diesen Schwebezustand stützt, ist die Entscheidung des Rechts zugunsten der Grundwerte der Verfassung. Daraus folgt letztlich doch ein Vorrang des öffentlichen Rechts.
Das Verhältnis von öffentlichem und Privatrecht wird heute nicht mehr dichotomisch gesehen, sondern als ein Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit und Durchdringung (o. § 99). Eine umfangreiche Literatur legt der Privatrechtstheorie nahe, sie möge dem öffentlichen, dem Gemeinwohl verpflichteten Charakter des Privatrechts Rechnung tragen, und rennt damit offene Türen ein, z. B. Claudio Michelon, The Public Nature of Private Law?, 2011, SSRN 1791793; Bertram Lomfeld/Dan Wielsch (Hg.), Themenheft: The Public Dimension of Contract, Law and Contemporary Problems 76, 2013, Heft 2.
III. Verfassungsfester Kern des Privatrechts
Literatur: Konrad Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988.
Wenn und soweit Privatautonomie eine von der Rechtsordnung verliehene Kompetenz darstellt, kann die Rechtsordnung auch Inhalt und Umfang dieser Kompetenz ausgestalten. Was einst (1919) von Hedemann die »Publifizierung des bürgerlichen Rechts« genannt wurde, nämlich die Implementierung von Gemeinwohlgesichtspunkten in das Privatrecht, ist heute beinahe eine Selbstverständlichkeit. »Privatrechtstheorie heute« akzeptiert grundsätzlich die Prärogative des Staates. Die Frage ist allein, wieweit Privatautonomie Einschränkungen im Interesse des Gemeinwohls hinnehmen muss. Die Privatrechtstheorie kann immerhin geltend machen, dass Privatautonomie ihrerseits zum Gemeinwohl gehört, und zwar in doppelter Hinsicht, nämlich einmal als Selbstzweck, wenn und soweit sie den Bürgern die Möglichkeit zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit bietet, und zum anderen als Instrument für die Schaffung von Wohlstand und Innovationen aller Art.
Mag auch die Privatautonomie in ihrem Bestand nicht ursprünglich und naturrechtlich verbürgt sein, so ist sie doch nicht schlechthin verfügbar. Es gilt vielmehr, wie Konrad Hesse es formuliert hat, dass öffentliches und Privatrecht »notwendige Bestandteile einer einheitliche Gesamtordnung [bilden], die einander wechselseitig ergänzen, stützen und bedingen« (S 39), denn das öffentliche Recht hat von Verfassungs wegen den Auftrag, der Selbstbestimmung von Personen und Organisationen Raum zu schaffen.
Der wichtigste Schutzwall des Privatrechts gegenüber der Implantierung von Standards aus dem öffentlichen Recht besteht aus den in der Verfassung verankerten individuellen Freiheitsrechten, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Ehe und Familie und nicht zuletzt dem Eigentumsrecht. Auch hier zeigt sich aber wieder der Primat der Verfassung und damit des öffentlichen Rechts. Er äußert sich in der so genannten Drittwirkung der Grundrechte. So ging das Privatrecht zwar von der Gleichheit der Rechtssubjekte aus, gestattete ihnen jedoch die Ungleichbehandlung ihrer Rechtsgenossen. Gleichbehandlung erwartete man nur im öffentlichen Recht. Heute wird auch von Privaten der Verzicht auf vielerlei »Diskriminierungen« verlangt.
Die Dogmatik des öffentlichen Rechts hat sich bislang wenig angestrengt, um den verfassungsfesten Kern des Privatrechts herauszuarbeiten. Das gilt insbesondere für die Privatautonomie von Unternehmen und Organisationen. Insoweit regiert der Staat bis in die Details der betrieblichen Organisation hinein. Immerhin hat das BVerfG (E 50, 290) zu der verfassungsrechtlichen Gewähr unternehmerischer Mitbestimung Stellung bezogen. Dabei hat es sich allerdings in erster Linie auf Art. 14 GG bezogen mit der Folge, dass sofort wieder die Sozialpflichtigkeit des Eigentums ins Spiel kommt, noch bevor der Eigenwert der Selbstbestimmung begründet wird. In Art. 16 der EUGrCh heißt es immerhin, die unternehmerische Freiheit werde nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt. Die Vorschrift ist jedoch nur deklarativ, begründet also kein eigenständiges oder originäres Grundrecht der Unternehmerfreiheit. Die Diskussion müsste sich bei Art. 19 III GG abspielen. Dort wäre zu beschreiben, was ein Unternehmen ausmacht und was daran schützenswert ist.
IV. Gleichheit und Diskriminierung
Literatur: Michael Grünberger, Personale Gleichheit. Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Zivilrecht, 2013; ders./André Reinelt, Konfliktlinien im Nichtdiskriminierungsrecht, 2020; Anna Katharina Mangold, Demokratische Inklusion durch Recht. Antidiskriminierungsrecht als Ermöglichungsbedingung der demokratischen Begegnung von Freien und Gleichen, 2021;Thomas Lobinger, Perspektiven der Privatrechtsdogmatik am Beispiel des allgemeinen Gleichbehandlungsrechts, AcP 216, 2016, 28-106; Florian Rödl, Gerechtigkeit unter freien Gleichen 2015.
Im Privatrecht hatte traditionell Freiheit den Vorrang vor der Gleichheit. Gleichheit schien durch die Rechtsfähigkeit ausnahmslos aller Menschen gewährleistet zu sein. Zur Privatautonomie gehört deshalb die freie Auswahl der Personen, mit denen man kontraktiert, die man heiratet oder als Erben bedenkt. Heute ist man sich einig, dass der Vorrang der Freiheit Grenzen hat, weil Rechtsfähigkeit allein angesichts der faktischen Ungleichheit unter den Menschen keine Gewähr für Gleichheit bietet. Umstritten sind nunmehr die Grenzen. Die wohl noch immer vorherrschende Meinung optiert für eine Tatbestandlösung. Das heißt, die Freiheit zur Ungleichbehandlung im privaten Rechtsverkehr findet ihre Grenzen an tatbestandlich festgelegten Ausnahmen. Eine wichtige Ausnahme dieser Art war schon lange das Gleichbehandlungsgebot im Arbeitsrecht. In jüngerer Zeit sind die Diskriminierungstatbestände des AGG hinzugekommen. (Fehlende) Schönheit und soziale Herkunft als solche gehören dagegen nicht zu den Diskriminierungstatbeständen, wiewohl sie oft Diskriminierungserfahrungen begründen.
Grünberger ist mit der These vorgeprescht, dass auch im Zivilrecht grundsätzlich der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte mit der Folge, dass jede Ungleichbehandlung von Privaten durch Private rechtfertigungsbedürftig sei. Er spricht insoweit von personaler Gleichheit. Praktisch soll diese Entgrenzung dadurch tragbar werden, dass ohne besondere Gründe allein die Berufung auf die Freiheit zur Rechtfertigung ausreicht. Es bleibt immerhin eine Verschiebung der Argumentationslast.
Der Schutz von Diversität verlangt, dass Verschiedenes in bestimmter Hinsicht als gleich zu behandeln ist. Als Rechtssatz gewinnt das Prinzip erst Gehalt, wenn bestimmt ist, auf welche Verschiedenheit sich die Gleichheitsforderung bezieht. Nach Art. 3 III GG darf niemand »wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.« Diese sehr allgemeinen Diskriminierungsmerkmale verdecken eine große Vielfalt. Es handelt sich, anders als bei Frauen und Männern, praktisch immer um Minderheitsprobleme, zu deren Lösung die »indifferente« Mehrheit Abstriche von einer abstrakten Gleichheitsvorstellung machen muss.
V. Die Privatautonomie in der Defensive
Literatur: Colin Crouch, Postdemokratie, 2008 [2003]; Tilman Repgen, Die soziale Aufgabe des Privatrechts. Eine Grundfrage in Wissenschaft und Kodifikation am Ende des 19. Jahrhunderts, 2001; .Anne Röthel, Privatautonomie im Spiegel der Privatrechtsentwicklung: ein mystifizierendes Leuchtfeuer, in: Christian Bumke/Anne Röthel (Hg.), Autonomie im Recht, 2017, 91-116 [Erwiderung von Karl Riesenhuber, Privatautonomie – Rechtsprinzip oder mystifizierendes »Leuchtfeuer«, ZfPW 2018, 352-368]; Peter Wehling, Selbstbestimmung oder sozialer Optimierungsdruck? Perspektiven einer kritischen Soziologie der Biopolitik, Leviathan 36, 2008, 249-273.
Die Privatautonomie leidet anscheinend unter Schwindsucht, so dass selbst die Inhaberin eines Privatrechtslehrstuhls (Röthel) von einem »mystifizierenden Leuchtfeuer« spricht. Aber die Diagnose ist nicht ganz einfach, denn die Privatautonomie bleibt weitgehend von direkten Angriffen verschont. Deutlicher wird die Diagnose, wenn man einen längeren Zeitraum ins Auge fasst.
Historisch bildet das BGB eine Bastion der Privatautonomie. Aber bereits der Entwurf des BGB wurde von der Frage begleitet, ob »die Privatrechtsordnung ihres sozialen Berufes eingedenk« sei (von Gierke).
Anton Menger (1841-1906) unterzog den Entwurf in einem Buch über »Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen« (1890, 3. Aufl. 1904) einer scharfen, sozialistisch gefärbten Kritik. Otto von Gierke meinte immerhin, gebraucht werde »ein Privatrecht, in welchem trotz aller Heilighaltung der unantastbaren Sphäre des Individuums der Gedanke der Gemeinschaft lebt und webt. Schroff ausgedrückt: … unser Privatrecht muß ein Tropfen sozialistischen Öles durchsickern!« (Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1889, S. 9). Die soziale Aufgabe überließ das BGB jedoch Nebengesetzen. Immerhin gab es schon 1894 ein AbzahlungsG. Man kann deshalb wohl sagen, dass nach dem BGB Privatautonomie der Normalfall und ihre Einschränkungen aus Gründen des Gemeinwohls die Ausnahme sein sollte (Repgen).
In der alten jungen Bundesrepublik war zunächst eine ordoliberale Privatrechtstheorie bestimmend, die mit den Namen August von Hayek, Franz Böhm, Walter Eucken, Walter Hallstein, Alexander Rüstow und Ernst Joachim Mestmäcker verbunden war. Aber bald wurde, oft unter marxistischen Vorzeichen und mit Beteiligung der Rechtssoziologie, die soziale Frage wieder aufgenommen. Etwa bis zu Jahrtausendwende lag der Schwerpunkt der Kritik am Privatrecht bei den Auswirkungen der Ungleichheit der Akteure auf den Zugang zu privatrechtlich verfügbaren Leistungen und auf die Ausgeglichenheit von Transaktionen. Ergebnisse zeigen sich im Verbraucherrecht und im Arbeitsrecht. Die folgenden zwei Jahrzehnte waren durch die Ausrichtung des Privatrechts auf den Kampf gegen Diskriminierungen bestimmt. Heute liegt der Schwerpunkt bei der Einforderung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung.
1942 schrieb der spätere Präsident der ersten EU-Kommission, Walter Hallstein in einem trotz einiger zeitbedingter Formulierungen immer noch lesenswerten Aufsatz (S. 553):
»Was dem Privatrecht seine Rechtfertigung, seinen unermeßlichen sittlichen Rang, was ihm seine Unsterblichkeit verleiht, das ist die Verantwortung des Menschen für sein eigenes Leben. In einer unaufhaltsamen und schicksalhaften Entwicklung aber hat die Gemeinschaft ein Lebensrisiko nach dem andern in ihre Regie genommen; kaum ein Bedürfnis mehr, das der Einzelverantwortung voll überlassen bliebe, nachdem Ernährung, Kleidung und Wohnung, Schutz gegen Krankheit, Armut und Alter, Verkehr, Bedürfnis nach Erziehung, Bildung und Erholung, nachdem alles, was sich dazu eignet, in die Obhut der Gemeinschaft genommen ist.« (Von der Sozialisierung des Privatrechts, ZStW 102, 1942, 530-554).
Was Hallstein als sozialistisch und unterschwellig als nationalsozialistisch kritisierte, wird heute von der Privatrechtstheorie nicht mehr in Frage gestellt. Der Sozialstaat bietet eine Universalversicherung gegen die Großrisiken des Lebens und gewährleistet eine umfassende Daseinsvorsorge. Soweit es um das Angebot von Gütern und Dienstleistungen geht, nimmt der Staat dazu das Privatrecht in einer Weise Anspruch, die sich als Einschränkung der Privatautonomie verstehen lässt. Die Vorkehrungen verdichten sich zu Sonderprivatrechten wie Arbeitsrecht, sozialem Mietrecht und Verbraucherrecht. Lobinger spricht von der »Flucht ins Privatrecht« (AcP 216, 2016, S. 88).
In Deutschland wurde die massive Kritik an den Konsequenzen ungezügelter Privatautonomie und damit an der Existenz einer genuin privatrechtlichen Sphäre, die in den USA schon früher eingesetzt hatte, in den 60er und 70er Jahren nachgeholt. Die Kritik stand vorwiegend unter marxistischen Vorzeichen, brachte aber keine grundlegend neuen Einsichten. Die vom Recht vorausgesetzte Vertragsfreiheit ist in der Realität durch viele Zwangslagen eingeschränkt. Solche Beschränkungen hat die Rechtssoziologie in Arbeiten zu Chancengleichheit und Diskriminierung, Zugangs- und Erfolgsbarrieren besonders für vier Rechtsgebiete aufgezeigt, nämlich für den Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, für das Mietrecht, das Arbeitsrecht sowie für Kredit und Verschuldung. Sie hat damit in der Rechtsdogmatik eine intensive Kritik der Privatautonomie provoziert. Im Ergebnis wurde die Kritik allerdings weitgehend abgewehrt. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme erfuhr der Markt eine erstaunliche Rehabilitation. Gleichwohl ist eine Instrumentalisierung des Privatrechts zur Durchsetzung von Gemeinwohlinteressen unverkennbar.
Zehn Veränderungen sind besonders markant. Hier können sie nur aufgezählt werden:
- Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage
- Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen
- Rechtsprechung zu Ungleichgewichtslagen
- Verbraucherschutz
- Mieterschutz
- Antidiskriminierungsgesetzgebung
- Datenschutz
- Inanspruchnahme Privater zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben
- Inanspruchnahme Privater für Klima- und Umweltschutz
- Verpflichtung Privater auf soziale Verantwortung.
Kritisiert wurde und wird das Fehlen einer sozialen Verantwortung der Privatrechtssubjekte. Auf solche Kritik hat das positive Recht insoweit reagiert, als es jedenfalls bei wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen Compliance und soziale Verantwortung (corporate social responsability) einfordert. Die rechtlichen Vorkehrungen zur Gewährleistung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung treffen die einzelnen Bürger bisher nur indirekt und als moralischer Appell. Eingeschränkt ist die Autonomie des Wirtschaftens, aber nicht die autonome Gestaltung der privaten Lebensführung. Hier darf man sogar diskriminieren. Ein privater Vermieter darf auch gleichgeschlechtliche Paare ablehnen. Man muss nicht zum Arzt gehen, wenn man eine Ärztin bevorzugt, und man darf den tätowierten Friseur meiden. Für die private Lebensführung ist die Selbstbestimmung sogar erweitert, indem etwa mit der Selbstbestimmung über das Lebensende, mit reproduktiver Selbstbestimmung oder mit der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare neue Möglichkeiten eröffnet wurden. So betrachtet ist das Privatrecht zweigeteilt in ein Privatrecht für Individuen und ein anderes für Organisationen, insbesondere für die Wirtschaft.
Im Privatrecht für Private hat die Selbstbestimmung eine historisch bisher einmalige Ausdehnung erreicht. Doch die Entwicklung kommt nicht zur Ruhe. Die Privatrechtstheorie beobachtet eine »Dekonstruktion des Subjekts«, der sie wenig entgegensetzt. Am Subjektbegriff hängt grundlegend die subjektiv-rechtliche Struktur des gesamten Rechts, auch des öffentlichen. Daher waren die sozial- und kulturwissenschaftlichen Subjektivierungstheorien Thema bereits in mit dem Ergebnis, dass die »Dekonstruktion des Subjekts« so grundstürzend wohl doch nicht ausfällt, wenn am Ende aus der Möglichkeit von Selbstbestimmung und Wahlfreiheit die »Regierung des Selbst« wird.
Tiefgreifender ist der Wandel des Privatrechts der Organisationen. Dieses Recht setzt sich wiederum aus zwei großen Blöcken zusammen. Der eine bestimmt die Begegnung zwischen Individuen und Organisationen und beschränkt die Privatautonomie zu Lasten organisierter Akteure. Den anderen Block bildet die Wirtschaftsverfassung. Dazu gehören vor allem das Handelsrecht, das Gesellschafts- und das Wettbewerbsrecht. Für das Privatrecht der Organisationen hat Privatautonomie nicht den engen Bezug zu Freiheit und Selbstbestimmung, sondern sie hat funktionale Bedeutung, weil und soweit sie die materielle Basis für das Marktgeschehen liefert. Insoweit erhält die Privatrechtstheorie die Unterstützung von der ökonomischen Analyse des Rechts. Auch das alte Theorem Friedrich von Hayeks, wonach Privatautonomie das über die Gesellschaft verteilte Wissen mobilisiert, hat noch nicht ausgedient.
Die Trennung zwischen dem privaten Privatrecht und dem Privatrecht der Organisationen ist alles andere als sauber. Sie ist hauptsächlich im Schuldrecht institutionalisiert. Beide Bereiche greifen auf ein gemeinsames Sachenrecht und Immaterialgüterrecht zurück. Sie teilen auch die gesetzlichen Schuldverhältnisse insbesondere aus Delikten. Eine Schnittstelle ist die Berufsausübung. Dennoch bleiben die Schwerpunkte so deutlich, dass die Differenzierung die Aufgaben der Privatrechtstheorie erleichtert. Das gilt sowohl für die Funktionsbeschreibung von Privatautonomie als auch für deren Legitimierung.
Die sozialwissenschaftlich informierte Kritik des Privatrechts gibt keine Ruhe. Sie interpretiert die Differenzierung als Wohlfahrtskapitalismus und diagnostiziert eine postdemokratische Wende, welche die Bürger mit konsumistischer Selbstbestimmung politikverdrossen mache, so dass sie die demokratischen Institutionen neoliberalen Eliten überließen. Postdemokratie wäre danach die moderne Version von panem et circenses: Für Konsum und Freizeitgestaltung verzichte das Volk auf seine Stellung als Souverän. Auf solche großflächige Interpretation könnte die Rechtstheorie mit einer Retourkutsche antworten, indem sie die Kritik ihrerseits einer nicht repräsentativen Elite von Intellektuellen zuschreibt. Produktiver wäre es, das von Foucault diagnostizierte Phänomen der Gouvernementalität ins Positive zu wenden. Dann würde aus dem, was kritisch als sozialer Optimierungsdruck (Wehling) erscheint, die Möglichkeit der Selbstbestimmung.