…
VII. Begriffe, Konzepte und Konzeptionen
Literatur: Ronald M. Dworkin, Law’s Empire, 1986 (S. 45ff); Walter B. Gallie, Essentially Contested Concepts, Proceedings of the Aristotelian Society 56, 1956, 167-198; ders., Philosophy and the Historical Understanding, 1968, 157-191; Alasdair MacIntyre, The Essential Contestability of Some Social Concepts, Ethics 84, 1973, 1-9; John Rawls, A Theory of Justice, 1971, S. 5ff; Lawrence B. Solum, LTL: Concepts and Conceptions.
Früher war ein Konzept im Deutschen nur der Entwurf (eines Textes). Heute redet man in wissenschaftlichen Texten (nach unserem Eindruck zunehmend) von Konzepten und Konzeptionen, ohne dass die Begriffe deutliche Konturen hätten. Unter dem Konzept versteht man oft einen konkreten Handlungsplan und unter Konzeption die dahinterstehende Idee. Konzeption ist aber auch der Prozess zur Konkretisierung eines Konzepts.
In den USA liegt es eher umgekehrt. Concept bezeichnet einen allgemeinen Begriff. Das Musterbeispiel ist Gerechtigkeit. Aber man kann auch an Schuld, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Rechtswidrigkeit, Kausalität, Irrtum und viele andere Begriffe denken. Conception dagegen ist eine spezielle Theorie über den Inhalt des allgemeinen Begriffs, etwa die Interpretation von Gerechtigkeit als ausgleichende Gerechtigkeit oder als soziale Gerechtigkeit, oder Vorsatztheorie und Schuldtheorie für den Rechtsirrtum im Strafrecht.
Eine besondere Klasse bilden die essentially contested concepts, eine Begriffsschöpfung von Walter B. Gallie. Gemeint sind sehr allgemeine Begriffe, die ein Themenfeld abdecken, das notorisch umstritten ist. Beispiele sind Wahrheit und Schönheit, Kunst und Kultur, aus dem Umfeld des Rechts etwa Demokratie und Rechtsstaat, Freiheit und Gleichheit. Gallies Begriff (den man seinerseits als Konzept einordnen kann) ist in der Rechtsphilosophie von John Rawls und Ronald Dworkin aufgenommen worden. Dworkin hat im Anschluss daran seine Kategorie der interpretive concepts entwickelt. Wir nutzen diese Begriffsbildung für Einordnung des Rechtsbegriffs (§ 9).