§ 5 Begriff und Bedeutung

I.  Kontextabhängigkeit der Bedeutung

II.  Mehrdeutigkeit, Vagheit und Porosität

III.  Von Waismann zu Hart: Open Texture

Literatur: Brian Bix, H. L. A. Hart and the ›Open Texture‹ of Language, Law and Philosophy 10, 1991, 51-72; Friedrich Waismann, Beitrag zum Symposium »Verifiability«, Proceedings of the Aristotelian Society Bd. 19, 1945, 119-150 (Fn. auf S. 121); Frederick F. Schauer, On the Open Texture of Law, 2011, SSRN 1926855.

Es gibt glücklich gewählte Begriffe, die eine besondere Strahlkraft entwickeln. Dazu gehört die Charakterisierung der Sprache überhaupt, der Rechtssprache insbesondere und letztlich des Rechts als open texture. Sie stammt ursprünglich von dem zum Wiener Kreis zählenden Friedrich Waismann, der diese Formulierung als Übersetzung des von ihm geprägten Ausdrucks »Porosität der Begriffe« wählte. H. L. A. Hart (S. 124 ff.) hat diese Formel aufgegriffen. Es sei ein geradezu universales Kennzeichen der Sprache und damit auch des Rechts, dass sie unvollständig und unbestimmt und damit von offener Beschaffenheit sei. Darin sah Hart eher einen Vorzug als ein Problem, denn diese Offenheit gestatte eine vernünftige Interpretation der Regeln, wenn sie auf Situationen angewendet werden sollten, für die sie nicht gedacht gewesen seien. Harts Formulierung ist zur Parole des Regelskeptizismus geworden. Kaum einer wagt, diese Verbindung zu kritisieren. Dabei beruht sie auf einem Missverständnis. Die Faktoren, die die Sprache so flexibel machen, also Vagheit, Porosität, Abstraktionsfähigkeit und die Kontextabhängigkeit der Bedeutung, verhindern letztlich nicht, dass man sich mit der Sprache verständlich machen kann. Die Interpretationsfähigkeit von Sprache und Texten entsteht erst mit ihrer Ablösung aus konkreten Kommunikationszusammenhängen.

IV.  Vom Umgang der KI mit mehrdimensionalen und vagen Begriffen