§ 5 Sprachtheoretischer Exkurs II: Von der Definition zum Begriff

IV. Gegenbegriffe (Antonyme)

Literatur: Günter Reiner, Les dichotomies en droit, in: George Azzaria (Hg.), Les nouveaux chantiers de la doctrine juridique, Actes des 4° et 5° Journées d‘étude sur la méthodologie 2016, 407-457; Klaus F. Röhl, Gegenbegriffe, Dichotomien und Alternativen in der Jurisprudenz, RphZ 8, 2022, 96-118.

VI.        Form und Inhalt

Literatur: Eugen Bucher, Für mehr Aktionendenken, AcP 186, 1986, 1-73 (S. 2-4); Karl Engisch, Form und Stoff in der Jurisprudenz, FS Fritz von Hippel, 1967, 63-94; Otto Depenheuer, Sprache und Stil der Gesetze, in: Winfried Kluth/Günter Krings (Hg.), Gesetzgebung, 2014, 37-158; Wolfgang Kemp, Kein Formbegriff in Sichtweite, Merkur 2019, 31-45; Gertrude Lübbe-Wolff, Form, Stil und Substanz gerichtlicher Urteile – Am Beispiel der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Eva Schürmann/Levno von Plato (Hg.), Rechtsästhetik in rechtsphilosophischer Absicht, 2020, 17-40; Dietmar von der Pfordten, Über die Form des Rechts, ebd. S. 41-60; Heinrich Triepel, Vom Stil des Rechts, 2007 [1947] 2007, S. 43ff, 52ff; Gustav Radbruch, Die Natur der Sache als juristische Denkform, 1960 [1948], (Exkurs IV S. 28-30); Daniel Wolff, Function Follows Form, AöR 146, 2021, 353-392.

Form und Inhalt gehören zu den geläufigen Antonymen. Auch Substanz, Stoff und Materie bilden Gegenbegriffe zur Form, passen aber besser auf physische Inhalte.

Zwischen formal, formell und förmlich bzw. materiell und material besteht kein sachlicher Unterschied, wiewohl formell und förmlich eine schwach negative Konnotation mit sich führen. Die Verwendung der einen oder anderen Ausdrucksweise ist in erster Linie Sache der sprachlichen Gewohnheit. Die Gewohnheit geht dahin, zur Verdeutlichung zwischen materiellen und formellen Begriffen zu unterscheiden. Der materielle Begriff zielt auf die Intension, der formelle Begriff auf die Extension. In diesem Sinne umreißt z. B. § 1 SGB I das materielle Sozialrecht, während man § 68 SGB I für die Bestimmung des Sozialrechts im formellen Sinne heranziehen kann.

Das Verhältnis von Form und Inhalt ist ein Grundthema der Philosophie. Besondere Bedeutung gewinnt es in der Kunst (Kemp). Für das Recht gibt es drei große Themenkreise, die auf den Gegensatz von Form und Inhalt zurückführen, nämlich

  • das Verhältnis von Begriff und Bedeutung,
  • das allgemeine Gesetz als Form des Rechts und sein Verhältnis zur Gerechtigkeit,
  • die Relativität oder »Dialektik« von Form und Inhalt.

Felix Somló, der seine Juristische Grundlehre als Rechtsformenlehre verstand, schrieb, »daß die Kategorien von Inhalt und Form zu den relativsten und subjektivsten im ganzen Gebiete des Denkens gehören, und daß, was in der einen Hinsicht Form ist, in einer anderen Inhalt sein kann« (1917, S. 5). Wir formulieren diese Relativität als Kaskade von Form und Inhalt.

Der Begriff ist die Form des Gedankens. Es liegt nahe, sich die Begriffe wie ein Gefäß vorzustellen, das für einige Inhalte geeignet ist, andere aber nicht aufnehmen kann (Bucher). Wie generell bei Metaphern darf man dieses Bild nicht strapazieren. Den Inhalt eines Bechers kann man ausschütten. Gedankliche Inhalte (Bedeutung) lassen sich nicht von den Formen trennen, in denen sie gefasst werden. Vielmehr verschmelzen in den Begriffen Form und Inhalt.

Der Soziologe Niklas Luhmann verwendet einen eigenen Formbegriff, über den so viel geschrieben worden ist, dass wir darauf hinweisen müssen. Für ihn beginnt die Begriffsbildung mit einer Unterscheidung (o. S. 31), und die Unterscheidung betrachtet Luhmann als eine Form mit zwei Seiten.

Das Symbol ist die Form des Begriffs. Damit der Begriff kommuniziert werden kann, muss er die Gestalt eines Symbols annehmen.

Das Medium ist die Form des Symbols. Die Symbole müssen wiederum materialisiert werden. Das geschieht durch Lautsprache oder Schrift, Geste oder Bild. Dadurch werden sie zu Medien. Die primären Materialisierungen werden ihrerseits gespeichert, kopiert oder vervielfältigt. So gibt es analog zu Sprache und Metasprache Formen und Metaformen. Anders formuliert: Der Inhalt einer Form wird wieder zur Form, und so wächst eine Kaskade von Form und Inhalt.

Luhmann verwendet einen anderen Medienbegriff (GdG 190ff). Was soeben Medium genannt wurde, sind für ihn nur die trivialen Verbreitungs- und Speichermedien. Die eigentlichen Medien findet er in den »symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien« wie Wahrheit und Geld, Liebe und Kunst, Gewalt und Recht, auch Erfolgsmedien genannt, weil sie Kommunikationen zum Erfolg verhelfen (GdG 203). Diese Medien lassen sich nicht beobachten, jedenfalls nicht direkt, sondern nur, wenn sie in einem Verbreitungsmedium Ausdruck gefunden haben. Die Aktualisierung von »Medien« durch Kommunikation bezeichnet Luhmann wiederum als Form.

Die Medien, mit denen das Recht kommuniziert und gespeichert wird, bilden die (äußere) Form des Rechts. Das moderne Recht ist durchgehend schriftlich fixiert. Die Schrift ist selbst schon ein Speicher und wiederum Voraussetzung auch für die elektronische Speicherung und Kommunikation. Mündlichkeit oder gar nur in der Praxis impliziertes Recht haben als Form in diesem äußeren Sinne nur sekundäre Bedeutung. Für die äußere Form fehlt es an einem spezifischen Gegenbegriff für die gedanklichen Inhalte. Gegenbegriff ist das Recht schlechthin.

An dieser Stelle kann man kurz innehalten und nach dem Unterschied von Form und Format fragen. Format ist spezieller als Form. Format hat in der Regel eine quantitative Dimension und ist oft sehr präzise definiert (als DIN A4 usw.).

Die Form des Rechts schlechthin ist seine Allgemeinheit. Juristen unterscheiden traditionell zwischen formellem und materiellem Recht. Das materielle Recht ist das Sachrecht, das die Rechtsverhältnisse inhaltlich ordnet. Das formelle Recht ist das Verfahrensrecht, das der Feststellung und Durchsetzung des Sachrechts dient. Die Medien als äußere Form des Rechts dienen zur Darstellung des einen wie des anderen. Es gibt also auch eine Form des formellen Rechts. Die Inhalte des materiellen wie des formellen Rechts haben ihrerseits eine Form, nämlich die Form des allgemeinen Gesetzes. Damit ist noch nicht das (förmliche) Parlamentsgesetz gemeint, sondern das Design allen Rechts als Regel, die sich nicht in der Ordnung eines Einzelfalls erschöpft. Die Allgemeinheit des Gesetzes in diesem Sinne war und ist immer wieder Gegenstand der Rechtskritik (u.xxx).

Das (allgemeine) Gesetz nimmt als Verfassung Form an. Ab hier entspricht die Kaskade dem, was als Stufenbau der Rechtsordnung geläufig ist. Die Verfassung hat wiederum nachgeordnete Formen der Rechtssetzung zum Inhalt.

Auch die Technik der Gesetzgebung hat eine förmliche und eine inhaltliche Seite. 2019 entschied der EuGH (C-299/17), dass die Regel des deutschen Presseleistungsschutzrechts, nach der Presseausschnitte (Snippets) von Suchmaschinen nicht ohne Genehmigung des Verlags publiziert werden dürfen, nicht anwendbar sei, weil das Gesetz der EU-Kommission nicht vorher angezeigt wurde.

Die inhaltliche Seite der Gesetzgebung behandelt die Gesetzgebungslehre. Für die förmliche Seite gibt es nach § 42 Abs. 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ein vom Bundesministerium des Innern herausgegebenes Handbuch der Rechtsförmlichkeit (Stand 2008). Dort erfährt man auch etwas über den Unterschied zwischen Stammgesetzen, Änderungsgesetzen und Mantelgesetzen, über Geltungszeitregeln, Zitierweisen u. a. mehr (zur »Ästhetik des Gesetzes« Depenheuer Rn. 34-39). Daniel Wolff hat untersucht, wie unterschiedliche Formen der Verfassungsänderung (Inkorporation, Supplemente, separate Ergänzungen) auf die Interpretation des Inhalts einwirken (Function Follows Form, AöR 146, 2021, 353-392).

(Förmliche) Rechtsgesetze stellen Handlungsformen für Justiz, Verwaltung und Privatrechtsverkehr bereit. Der Gegensatz zwischen materiellem und formellem Recht im Sinne von Verfahrensrecht zeigt sich eigentlich erst auf dieser Ebene. Die Justiz kleidet ihre Inhalte in Beschlüsse und Urteile, die Verwaltung in Verwaltungsakte. Private können von ihren Rechten grundsätzlich formlos Gebrauch machen. Die Form der Ausübung materieller Recht ist das subjektive Recht. Das subjektive Recht als Form war Thema der »Kritik der Rechte« von Christoph Menke (2015), die einige Beachtung gefunden hat (u. xxx).

Die rechtlich geordneten Handlungsformen lassen Spielraum für ihre Ausfüllung. Hier ist viel Tradition am Werk. Sie prägt den Stil von Gesetzen und Verträgen, Gerichtsurteilen oder juristischen Gutachten. An dieser Stufe der Formenkaskade setzt Lübbe-Wolff an, wenn sie »Stil und Substanz« von Verfassungsgerichtsurteilen vorstellt.

Zwischen den Stufen der Kaskade zeigt sich die Relativität von Form und Inhalt. Als allgemeines Phänomen ist sie uns schon aus McLuhans einprägsame Formel »The medium is the message« bekannt (o. S. xxx). Was auf der einen Stufe Inhalt ist, wird auf der nächsten Stufe zur Form. Aber das ist nicht die Relativität, von der hier eingangs die Rede war. Dort war gemeint, dass auf ein und derselben Stufe der Kaskade die Formen Inhalte aus sich heraussetzen oder sich ihnen verweigern können. Als Beispiel kann die Differenz zwischen einem formalen und einem materialen Rechtsstaatsbegriff (u. S.xxx) dienen. Weitere Beispiele bieten der Grundrechtsschutz durch Verfahren und allgemeiner noch die Idee der Verfahrensgerechtigkeit.

Rechtssicherheit und Gerechtigkeit sind am Ende nur noch abstrakte Formen, in die sich die historisch wandelbaren Inhalte des Rechts einfügen.

So kann man mit Karlheinz Muscheler (Relativismus und Freirecht, 1984, S. 40) die »Rechtsphilosophe« Emil Lasks (1905, S. 8) verstehen.

Die letzte Stufe der Kaskade führt auf die Stoffbestimmheit der Form zurück: Das Recht als Ganzes ist eine Form, die Welt zu erfassen und zu ordnen.

Gustav Radbruch brachte die Stoffbestimmtheit des Rechts seinerzeit auf den Nenner der »Natur der Sache«. Wir begnügen uns mit zwei Zitaten, auf die Radbruch sich bezog:

»Jedes Rechtsverhältnis hat zur Grundlage irgendeinen Stoff, auf welchen die Rechtsform angewendet wird, und der also auch abstrahiert von dieser Form gedacht werden kann.« (Savigny, System I, S. 416)

Das Recht als Form ist jedoch nicht beliebig.

» … die rechtliche Form soll durch diesen Stoff [die natürliche Verschiedenheit der Individuen] … bestimmt werden. … Je mehr ein Recht sich ausbildet, desto vollständiger wird es sich den Ansprüchen der verschiedenen Natur des Menschen und der Dinge öffnen, desto weniger schroff und hart, desto elastischer werden die Formen werden, in die es sich einschließt, ohne sein Grundprincip aufzugeben.« (G. F. Puchta, Cursus der Institution, I, 1841, S. 19, 94).

Damit ist die ordnende Kraft des Begriffspaars Form und Inhalt nicht erschöpft. Viele Einzelfragen lassen sich mit seiner Hilfe verstehen und formulieren. Weitere Unterscheidungskraft gewinnen die Begriffe durch die Erweiterung des Begriffspaars zur Triade von Form, Inhalt und Geltung.

Beispiele haben wir in § 30xxx zusammengetragen: Immer noch verbreitet ist die Unterscheidung zwischen Gesetzen im materiellen und solchen im formellen Sinne. (In den meisten dieser Fälle ist das aber kein Gegensatz: Gesetze im formellen können auch solche im materiellen Sinne sein.) Man unterscheidet zwischen formeller und materieller Rechtskraft, zwischen einem materiellen und einem formellen Parteibegriff. Der Bundespräsident nimmt gegenüber den Gesetzen ein formelles und (nach umstrittener Auffassung) ein materielles Prüfungsrecht in Anspruch. Im Grundbuchrecht kennen wir das formelle und ausnahmsweise das materielle Konsensprinzip. Der Stil einer Rechtsordnung wird danach beurteilt, ob und wieweit sie die Entscheidungen der Akteure nur formal regelt oder ob sie materiell – etwa im Privatrecht die Inhalte von Willenserklärungen – kontrolliert (z. B. Chaim Saiman, The Law Wants to be Formal, Notre Dame Law Review 96, 2021 1067-114 = SSRN 3788570).

I.        Form und Inhalt

Literatur: Eugen Bucher, Für mehr Aktionendenken, AcP 186, 1986, 1-73 (S. 2-4); Karl Engisch, Form und Stoff in der Jurisprudenz, FS Fritz von Hippel, 1967, 63-94; Otto Depenheuer, Sprache und Stil der Gesetze, in: Winfried Kluth/Günter Krings (Hg.), Gesetzgebung, 2014, 37-158; Wolfgang Kemp, Kein Formbegriff in Sichtweite, Merkur 2019, 31-45; Gertrude Lübbe-Wolff, Form, Stil und Substanz gerichtlicher Urteile – Am Beispiel der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Eva Schürmann/Levno von Plato (Hg.), Rechtsästhetik in rechtsphilosophischer Absicht, 2020, 17-40; Dietmar von der Pfordten, Über die Form des Rechts, ebd. S. 41-60; Heinrich Triepel, Vom Stil des Rechts, 2007 [1947] 2007, S. 43ff, 52ff; Gustav Radbruch, Die Natur der Sache als juristische Denkform, 1960 [1948], (Exkurs IV S. 28-30); Daniel Wolff, Function Follows Form, AöR 146, 2021, 353-392.

Form und Inhalt gehören zu den geläufigen Antonymen. Auch Substanz, Stoff und Materie bilden Gegenbegriffe zur Form, passen aber besser auf physische Inhalte.

Zwischen formal, formell und förmlich bzw. materiell und material besteht kein sachlicher Unterschied, wiewohl formell und förmlich eine schwach negative Konnotation mit sich führen. Die Verwendung der einen oder anderen Ausdrucksweise ist in erster Linie Sache der sprachlichen Gewohnheit. Die Gewohnheit geht dahin, zur Verdeutlichung zwischen materiellen und formellen Begriffen zu unterscheiden. Der materielle Begriff zielt auf die Intension, der formelle Begriff auf die Extension. In diesem Sinne umreißt z. B. § 1 SGB I das materielle Sozialrecht, während man § 68 SGB I für die Bestimmung des Sozialrechts im formellen Sinne heranziehen kann.

Das Verhältnis von Form und Inhalt ist ein Grundthema der Philosophie. Besondere Bedeutung gewinnt es in der Kunst (Kemp). Für das Recht gibt es drei große Themenkreise, die auf den Gegensatz von Form und Inhalt zurückführen, nämlich

  • das Verhältnis von Begriff und Bedeutung,
  • das allgemeine Gesetz als Form des Rechts und sein Verhältnis zur Gerechtigkeit,
  • die Relativität oder »Dialektik« von Form und Inhalt.

Felix Somló, der seine Juristische Grundlehre als Rechtsformenlehre verstand, schrieb, »daß die Kategorien von Inhalt und Form zu den relativsten und subjektivsten im ganzen Gebiete des Denkens gehören, und daß, was in der einen Hinsicht Form ist, in einer anderen Inhalt sein kann« (1917, S. 5). Wir formulieren diese Relativität als Kaskade von Form und Inhalt.

Der Begriff ist die Form des Gedankens. Es liegt nahe, sich die Begriffe wie ein Gefäß vorzustellen, das für einige Inhalte geeignet ist, andere aber nicht aufnehmen kann (Bucher). Wie generell bei Metaphern darf man dieses Bild nicht strapazieren. Den Inhalt eines Bechers kann man ausschütten. Gedankliche Inhalte (Bedeutung) lassen sich nicht von den Formen trennen, in denen sie gefasst werden. Vielmehr verschmelzen in den Begriffen Form und Inhalt.

Der Soziologe Niklas Luhmann verwendet einen eigenen Formbegriff, über den so viel geschrieben worden ist, dass wir darauf hinweisen müssen. Für ihn beginnt die Begriffsbildung mit einer Unterscheidung (o. S. 31), und die Unterscheidung betrachtet Luhmann als eine Form mit zwei Seiten.

Das Symbol ist die Form des Begriffs. Damit der Begriff kommuniziert werden kann, muss er die Gestalt eines Symbols annehmen.

Das Medium ist die Form des Symbols. Die Symbole müssen wiederum materialisiert werden. Das geschieht durch Lautsprache oder Schrift, Geste oder Bild. Dadurch werden sie zu Medien. Die primären Materialisierungen werden ihrerseits gespeichert, kopiert oder vervielfältigt. So gibt es analog zu Sprache und Metasprache Formen und Metaformen. Anders formuliert: Der Inhalt einer Form wird wieder zur Form, und so wächst eine Kaskade von Form und Inhalt.

Luhmann verwendet einen anderen Medienbegriff (GdG 190ff). Was soeben Medium genannt wurde, sind für ihn nur die trivialen Verbreitungs- und Speichermedien. Die eigentlichen Medien findet er in den »symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien« wie Wahrheit und Geld, Liebe und Kunst, Gewalt und Recht, auch Erfolgsmedien genannt, weil sie Kommunikationen zum Erfolg verhelfen (GdG 203). Diese Medien lassen sich nicht beobachten, jedenfalls nicht direkt, sondern nur, wenn sie in einem Verbreitungsmedium Ausdruck gefunden haben. Die Aktualisierung von »Medien« durch Kommunikation bezeichnet Luhmann wiederum als Form.

Die Medien, mit denen das Recht kommuniziert und gespeichert wird, bilden die (äußere) Form des Rechts. Das moderne Recht ist durchgehend schriftlich fixiert. Die Schrift ist selbst schon ein Speicher und wiederum Voraussetzung auch für die elektronische Speicherung und Kommunikation. Mündlichkeit oder gar nur in der Praxis impliziertes Recht haben als Form in diesem äußeren Sinne nur sekundäre Bedeutung. Für die äußere Form fehlt es an einem spezifischen Gegenbegriff für die gedanklichen Inhalte. Gegenbegriff ist das Recht schlechthin.

An dieser Stelle kann man kurz innehalten und nach dem Unterschied von Form und Format fragen. Format ist spezieller als Form. Format hat in der Regel eine quantitative Dimension und ist oft sehr präzise definiert (als DIN A4 usw.).

Die Form des Rechts schlechthin ist seine Allgemeinheit. Juristen unterscheiden traditionell zwischen formellem und materiellem Recht. Das materielle Recht ist das Sachrecht, das die Rechtsverhältnisse inhaltlich ordnet. Das formelle Recht ist das Verfahrensrecht, das der Feststellung und Durchsetzung des Sachrechts dient. Die Medien als äußere Form des Rechts dienen zur Darstellung des einen wie des anderen. Es gibt also auch eine Form des formellen Rechts. Die Inhalte des materiellen wie des formellen Rechts haben ihrerseits eine Form, nämlich die Form des allgemeinen Gesetzes. Damit ist noch nicht das (förmliche) Parlamentsgesetz gemeint, sondern das Design allen Rechts als Regel, die sich nicht in der Ordnung eines Einzelfalls erschöpft. Die Allgemeinheit des Gesetzes in diesem Sinne war und ist immer wieder Gegenstand der Rechtskritik (u.xxx).

Das (allgemeine) Gesetz nimmt als Verfassung Form an. Ab hier entspricht die Kaskade dem, was als Stufenbau der Rechtsordnung geläufig ist. Die Verfassung hat wiederum nachgeordnete Formen der Rechtssetzung zum Inhalt.

Auch die Technik der Gesetzgebung hat eine förmliche und eine inhaltliche Seite. 2019 entschied der EuGH (C-299/17), dass die Regel des deutschen Presseleistungsschutzrechts, nach der Presseausschnitte (Snippets) von Suchmaschinen nicht ohne Genehmigung des Verlags publiziert werden dürfen, nicht anwendbar sei, weil das Gesetz der EU-Kommission nicht vorher angezeigt wurde.

Die inhaltliche Seite der Gesetzgebung behandelt die Gesetzgebungslehre. Für die förmliche Seite gibt es nach § 42 Abs. 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ein vom Bundesministerium des Innern herausgegebenes Handbuch der Rechtsförmlichkeit (Stand 2008). Dort erfährt man auch etwas über den Unterschied zwischen Stammgesetzen, Änderungsgesetzen und Mantelgesetzen, über Geltungszeitregeln, Zitierweisen u. a. mehr (zur »Ästhetik des Gesetzes« Depenheuer Rn. 34-39). Daniel Wolff hat untersucht, wie unterschiedliche Formen der Verfassungsänderung (Inkorporation, Supplemente, separate Ergänzungen) auf die Interpretation des Inhalts einwirken (Function Follows Form, AöR 146, 2021, 353-392).

(Förmliche) Rechtsgesetze stellen Handlungsformen für Justiz, Verwaltung und Privatrechtsverkehr bereit. Der Gegensatz zwischen materiellem und formellem Recht im Sinne von Verfahrensrecht zeigt sich eigentlich erst auf dieser Ebene. Die Justiz kleidet ihre Inhalte in Beschlüsse und Urteile, die Verwaltung in Verwaltungsakte. Private können von ihren Rechten grundsätzlich formlos Gebrauch machen. Die Form der Ausübung materieller Recht ist das subjektive Recht. Das subjektive Recht als Form war Thema der »Kritik der Rechte« von Christoph Menke (2015), die einige Beachtung gefunden hat (u. xxx).

Die rechtlich geordneten Handlungsformen lassen Spielraum für ihre Ausfüllung. Hier ist viel Tradition am Werk. Sie prägt den Stil von Gesetzen und Verträgen, Gerichtsurteilen oder juristischen Gutachten. An dieser Stufe der Formenkaskade setzt Lübbe-Wolff an, wenn sie »Stil und Substanz« von Verfassungsgerichtsurteilen vorstellt.

Zwischen den Stufen der Kaskade zeigt sich die Relativität von Form und Inhalt. Als allgemeines Phänomen ist sie uns schon aus McLuhans einprägsame Formel »The medium is the message« bekannt (o. S. xxx). Was auf der einen Stufe Inhalt ist, wird auf der nächsten Stufe zur Form. Aber das ist nicht die Relativität, von der hier eingangs die Rede war. Dort war gemeint, dass auf ein und derselben Stufe der Kaskade die Formen Inhalte aus sich heraussetzen oder sich ihnen verweigern können. Als Beispiel kann die Differenz zwischen einem formalen und einem materialen Rechtsstaatsbegriff (u. S. Fehler! Textmarke nicht definiert.) dienen. Weitere Beispiele bieten der Grundrechtsschutz durch Verfahren und allgemeiner noch die Idee der Verfahrensgerechtigkeit.

Rechtssicherheit und Gerechtigkeit sind am Ende nur noch abstrakte Formen, in die sich die historisch wandelbaren Inhalte des Rechts einfügen.

So kann man mit Karlheinz Muscheler (Relativismus und Freirecht, 1984, S. 40) die »Rechtsphilosophe« Emil Lasks (1905, S. 8) verstehen.

Die letzte Stufe der Kaskade führt auf die Stoffbestimmheit der Form zurück: Das Recht als Ganzes ist eine Form, die Welt zu erfassen und zu ordnen.

Gustav Radbruch brachte die Stoffbestimmtheit des Rechts seinerzeit auf den Nenner der »Natur der Sache«. Wir begnügen uns mit zwei Zitaten, auf die Radbruch sich bezog:

»Jedes Rechtsverhältnis hat zur Grundlage irgendeinen Stoff, auf welchen die Rechtsform angewendet wird, und der also auch abstrahiert von dieser Form gedacht werden kann.« (Savigny, System I, S. 416)

Das Recht als Form ist jedoch nicht beliebig.

» … die rechtliche Form soll durch diesen Stoff [die natürliche Verschiedenheit der Individuen] … bestimmt werden. … Je mehr ein Recht sich ausbildet, desto vollständiger wird es sich den Ansprüchen der verschiedenen Natur des Menschen und der Dinge öffnen, desto weniger schroff und hart, desto elastischer werden die Formen werden, in die es sich einschließt, ohne sein Grundprincip aufzugeben.« (G. F. Puchta, Cursus der Institution, I, 1841, S. 19, 94).

Damit ist die ordnende Kraft des Begriffspaars Form und Inhalt nicht erschöpft. Viele Einzelfragen lassen sich mit seiner Hilfe verstehen und formulieren. Weitere Unterscheidungskraft gewinnen die Begriffe durch die Erweiterung des Begriffspaars zur Triade von Form, Inhalt und Geltung.

Beispiele haben wir in § 30xxx zusammengetragen: Immer noch verbreitet ist die Unterscheidung zwischen Gesetzen im materiellen und solchen im formellen Sinne. (In den meisten dieser Fälle ist das aber kein Gegensatz: Gesetze im formellen können auch solche im materiellen Sinne sein.) Man unterscheidet zwischen formeller und materieller Rechtskraft, zwischen einem materiellen und einem formellen Parteibegriff. Der Bundespräsident nimmt gegenüber den Gesetzen ein formelles und (nach umstrittener Auffassung) ein materielles Prüfungsrecht in Anspruch. Im Grundbuchrecht kennen wir das formelle und ausnahmsweise das materielle Konsensprinzip. Der Stil einer Rechtsordnung wird danach beurteilt, ob und wieweit sie die Entscheidungen der Akteure nur formal regelt oder ob sie materiell – etwa im Privatrecht die Inhalte von Willenserklärungen – kontrolliert (z. B. Chaim Saiman, The Law Wants to be Formal, Notre Dame Law Review 96, 2021 1067-114 = SSRN 3788570).

 

II.     Abstrakt und konkret

Literatur: Gilbert Ryle, Abstractions, Dialogue, Canadian Philosophical Review 1, 1962, 5-16; Ronald de Sousa, Logic and Biology: Emotional Inference and Emotions in Reasoning, in: Jonathan Eric Adler/Lance J. Rips, Reasoning, 2008, 1002–1015.

Der Gegensatz von Form und Inhalt hängt eng mit dem Begriffspaar abstrakt und konkret zusammen. Inhalte müssen eine Form annehmen, um transportierbar zu werden. Damit werden sie von konkreten Situationen abstrahiert.

Nur unmittelbares Erleben ist konkret. Das Erleben ereignet sich in einer Situation, das heißt, in einer einmaligen Konstellation von Leib und Materie, Raum und Zeit. Jede Mitteilung = Kommunikation über das Erleben ist eine Darstellung (Repräsentation) in einem Medium (Wort, Bild, Schrift) und damit immer schon eine Abstraktion. Ein berühmtes Beispiel von Gilbert Ryle ist der Stadtplan. Auch ein geübter Kartenleser gewinnt mit seiner Hilfe nicht die gleiche Sicherheit der Orientierung wie der Einwohner, der die Straßen kennt. Das gilt auch für andere Darstellungen. Die Aussage eines Zeugen ist eine Abstraktion von dem, was der Zeuge erlebt hat. Das Protokoll der Zeugenaussage ist noch einmal eine Abstraktion der Abstraktion. Allerdings gibt es unterschiedliche Grade der Abstraktion von Darstellungen. Bilder wirken konkreter als Texte, bleiben aber trotzdem abstrakt im Verhältnis zu dem, was sie zeigen. Das gilt selbst für die multimediale Kommunikation, wie sie in Corona-Zeiten üblich geworden ist. Die Videokonferenz kann die Präsenzveranstaltung nicht wirklich ersetzen.

Oft wird konkret mit anschaulich gleichgesetzt. Das ist jedoch zu einfach. Die als Justitia allegorisch dargestellte Idee der Gerechtigkeit mag anschaulich sein, der Gedanke bleibt dennoch abstrakt. Allegorien und Metaphern sind nur pseudokonkret, denn sie erwecken den Anschein des unmittelbar sinnlich Wahrnehmbaren.

Der Vergleich von Bildern und Sprache zeigt den Weg zu den Begriffen. Der Weg führt über die Dimension intensional – extensional. Realistische Bilder ohne Kontext sind wie Namen, das heißt, sie identifizieren Gegenstände und haben damit extensionale Bedeutung. Solche isolierten Bilder können nur bezeichnen und aufzählen. Sprache dagegen kann von den konkreten Gegenständen absehen, indem sie intensional das Gemeinte repräsentiert. Aus der Zugspitze, dem Matterhorn und dem Montblanc werden Berge. Aus Peter, Emil, Gerda und Kathrin werden Menschen. Sprache ist abstrakt in dem Sinne, dass sie viele mögliche bildliche Darstellungen zulässt. Realistische Bilder bleiben (relativ) konkret. Ein Bild kann nicht »die Berge« oder »die Menschen« zeigen – wiewohl Künstler das immer wieder versuchen –, sondern nur bestimmte Berge oder Menschen. Worte fassen zusammen, was Bilder trennen.

Abstraktion führt zur Begriffsbildung, Begriffsbildung setzt Abstraktion voraus, denn Begriffe sind Namen für eine Klasse von Gegenständen. Sie werden gebildet, um einzelne Objekte einer Klasse = Gattung zuzuordnen oder als Element der Klasse wiederzuerkennen. Damit kehren unter dem Aspekt der Abstraktion alle Gesichtspunkte wieder, die mit der Begriffsbildung verbunden sind. Auch wenn alle Begriffe insofern abstrakt sind, als sie vom Einzelfall absehen, so sind sie doch darauf angelegt, bekannte und unbekannte Einzelfälle wiederzuerkennen. Begriffe werden gewöhnlich durch Worte repräsentiert. Nackte Symbole, wie sie in der formalen Logik üblich sind, können sowohl (als Namen) für konkrete Gegenstände als auch für Begriffe stehen.

Alle Begriffe sind Gattungsbegriffe. Das ist ein beliebter Ansatzpunkt philosophischer Kritik.

Theodor W. Adorno hat die Kritik in der »Negativen Dialektik« (1967) auf den Punkt gebracht: Im (Gattungs-)Begriff weisen Begriff und Sache auseinander. Die Identifikation von Begriff und Sache übt auf die Dinge einen Zwang aus, denn sie schneidet etwas von ihrer Identität ab. Das klingt gut, hilft aber nicht weiter. Das Antonym zum Begriff wäre der Eigenname. Man kann nicht stets alle Dinge beim Namen nennen. Aber bei Bedarf kann man die konkrete Sache näher ansehen. Anders nur mit Menschen. Die haben alle einen Namen.

Die Kritik ist insofern berechtigt, als man fragen kann, ob nicht Gattungsbegriffe den nominalistischen Ausgangspunkt verlassen, nachdem in aller Strenge nur Einzeldinge benannt werden können. Damit kehrt das Problem wieder, das schon im Zusammenhang mit der Prädikation (o. § 4 Vxxx) angesprochen wurde. Ohne eine Portion Realismus geht es nicht.

Von unserem nominalistischen Ausgangspunkt her sind Gattungsbegriffe soziale Konstruktionen, die je nach Bedarf gebildet werden. Das entspricht nicht dem Alltagsverständnis, das natürliche Gattungen zugrunde legt. Jedermann ist in der Lage, Tiere, Autos oder Blätter als solche zu identifizieren. »Natural Kinds« bilden ein großes Thema spätestens seit Quine in einem Aufsatz mit dieser Überschrift (1969) versucht hat, das Induktionsproblem mit der Annahme natürlicher Gattungen zu lösen. Für uns ist das Thema zu groß. Daher verweisen wir auf Lexikonartikel in IEP und SEP. Anscheinend gibt es so etwas wie einen Naturalized Turn in Epistemology (Chase Wrenn im der Routledge HB of Social Epistemology, 2019). Die Epistemologie kann den Alltagsrealismus doch nicht ganz ingnorieren. Deshalb wagen wir in § XXX u., den zeitweise verpönten Begriff von der »Natur der Sache« wieder aufzunehmen.

Wiewohl Begriffe insofern abstrakt sind, als sie nicht Individuen benennen, sondern eine Klasse von Gegenständen, gibt es doch auch insoweit unterschiedliche Grade der Abstraktion. Je größer die Extension, desto kleiner die Intension und umgekehrt. Das heißt, wenn weniger Eigenschaften definiert werden, wächst die Gattung, sie wird abstrakter. Begriffe, die, wenn auch verallgemeinernd, Sinneswahrnehmungen oder wahrnehmbare Objekte bezeichnen, bleiben anschaulich, ganz gleich ob von Autos oder von Wolken die Rede ist. Eine höhere Stufe wird erreicht, wenn die Sprache Relationen zwischen anschaulichen Gegenständen benennt und damit Begriffe schafft, die nicht mehr auf Anschauliches verweisen. Das beginnt mit so einfachen Begriffen wie Verwandtschaft, Besitz oder Eigentum und endet noch nicht mit Forderung, Schaden oder Erfüllung. Eine weitere Steigerung der Abstraktion besteht darin, abstrakte Relationen zwischen verschiedenen Abstracta zu benennen (z. B. »eine strukturelle Kopplung zwischen dem Rechtssystem und dem politischen System«).

Die Möglichkeit zur Abstraktion geht noch eine wichtige Stufe weiter. Sprachliches Denken ist immer noch auf Objekte ausgerichtet. Der menschliche Geist hat sich jedoch weiter dahin entwickelt, dass er objektlose logische und mathematische Beziehungen erfassen kann (de Sousa).

Schlichtes Denken ist konkret. Es verbindet Eigenschaften mit einem Gegenstand, redet also nicht von Größe an sich, sondern von großen Bäumen oder Bergen, nicht von Klugheit schlechthin, sondern von klugen Füchsen oder Menschen, nicht von der Güte als solcher, sondern von der Güte einer Mutter oder der Güte Gottes. Früher war man deshalb der Ansicht, Abstraktion vollziehe sich als Verselbständigung von Eigenschaften anschaulicher Gegenstände. Als Beispiel galt etwa die Abstraktion des Weißen als Eigenschaft aller weißen Gegenstände, vor allem aber die Abstraktion von Zahlen von den gezählten Objekten. Bei der üblichen intensionalen Definition war genus proximum dann der »Gegenstand«, differentia specifica die Eigenschaft, der Schimmel also ein weißes Pferd. Diese Sichtweise dürfte auf einem ontologischen Vorurteil beruhen, denn es gibt keinen Grund für die Annahme, dass ein Pferd wesentlicher sei als eine Farbe oder, abstrakt formuliert, die Eigenschaft wesentlicher als der Gegenstand. Was wir Gegenstand nennen und was uns als Eigenschaft erscheint, ist ein bloßes Konstrukt unseres Kognitionssystems.

Abstraktion durch die Verselbständigung von Eigenschaften äußert sich sprachlich durch Substantivierung. An die Stelle von Prädikaten, die bis dahin stets mit konkreten Objekten zusammengedacht wurden, treten Substantive, die anscheinend keine Ergänzung mehr durch einen Objektbereich nötig haben. Noch Aristoteles behandelte die Gerechtigkeit als eine Tugend, d.h. als eine Eigenschaft konkreter Menschen. Das war jedoch ein Rückfall in der Entwicklung zum abstrakten Denken, die in der griechischen Philosophie längst stattgefunden hatte. Erst Abstraktion und die mit ihr verbundene Substantivierung machten Platons Ideenlehre möglich, in der die von aller Substanz befreite Idee des Guten den höchsten Platz einnimmt.

Die Abstraktionen der Philosophen (und Juristen) haben sich im europäischen Kulturkreis weit bis in die Alltagssprache hinein ausgebreitet. Wie selbstverständlich reden wir von Sein oder Nichtsein, Wesen und Struktur, Idee und Realität und nicht zuletzt auch vom Recht. Die Reihe solcher Substantivierungen ist unerschöpflich. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie wir ohne sie reden und denken würden. Aber es ist sicher, dass die abstrahierende Substantivierung in viele künstliche Probleme führt. Vielleicht zählt dazu auch der Kampf der Werte im Wertehimmel.

Oft ist es hilfreich, den Prozess des Weglassens von konkreten Details umzukehren, wenn sich die Probleme anders nicht lösen lassen. Wenn Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte im Streit liegen, so kann man beides gar nicht direkt gegeneinander abwägen, sondern muss im Prozess der Abstraktion eine oder mehrere Stufen zurückgehen, um vielleicht Literatur gegen Jugendschutz oder noch konkreter das Werk eines bestimmten Autors gegen die Persönlichkeit des darin verunglimpften Helden ins Auge zu fassen.

Das Recht hat sich mit Hilfe der Sprache seine eigenen Abstraktionen geschaffen. Der wichtigste Abstraktionsmodus des Rechts ist die Formulierung allgemeiner Regeln, die nur wenige Kriterien für relevant erklären und von den vielen Besonderheiten, die jeder konkrete Fall mit sich bringt, absehen.

Abstraktion wird immer wieder als Krankheit des Rechts angesprochen. Sie bildet aber ein allgemeineres Problem. In den Geistes- und Sozialwissenschaften besteht eine Tendenz, allgemeinere Theorien zugunsten immer weiter gehender Differenzierungen (Nuancen) zurückzuweisen. So werden immer detailliertere empirische Beschreibungen verlangt und sie werden von einem nicht endenwollenden Ausbau der Begriffssysteme begleitet, die immer weitere Sachverhalte abdecken sollen (Kieran Healy, Fuck Nuance, Sociological Theory 35, 2017, 118-127). Juristen fühlen sich an die Forderung nach der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erinnert. Es bedarf eines langen Trainings, um die in ihrer Konkretheit unendlich differenzierte Wirklichkeit in wissenschaftlichen Texten zu repräsentieren, das heißt, sie in (abstrakte) Theorie zu bringen. Theorie arbeitet notwendig mit Verallgemeinerungen, die immer zugleich eine Abstraktion darstellen. Es bedarf des Selbstbewusstseins erfahrener Juristen, um dem differenzierten Theoriemosaik der philosophisch und sozialwissenschaftlich inspirierten Rechtstheorie einigen Gewinn abzuringen.

VII.     Abstrakt und konkret

Literatur: Gilbert Ryle, Abstractions, Dialogue, Canadian Philosophical Review 1, 1962, 5-16; Ronald de Sousa, Logic and Biology: Emotional Inference and Emotions in Reasoning, in: Jonathan Eric Adler/Lance J. Rips, Reasoning, 2008, 1002–1015.

Der Gegensatz von Form und Inhalt hängt eng mit dem Begriffspaar abstrakt und konkret zusammen. Inhalte müssen eine Form annehmen, um transportierbar zu werden. Damit werden sie von konkreten Situationen abstrahiert.

Nur unmittelbares Erleben ist konkret. Das Erleben ereignet sich in einer Situation, das heißt, in einer einmaligen Konstellation von Leib und Materie, Raum und Zeit. Jede Mitteilung = Kommunikation über das Erleben ist eine Darstellung (Repräsentation) in einem Medium (Wort, Bild, Schrift) und damit immer schon eine Abstraktion. Ein berühmtes Beispiel von Gilbert Ryle ist der Stadtplan. Auch ein geübter Kartenleser gewinnt mit seiner Hilfe nicht die gleiche Sicherheit der Orientierung wie der Einwohner, der die Straßen kennt. Das gilt auch für andere Darstellungen. Die Aussage eines Zeugen ist eine Abstraktion von dem, was der Zeuge erlebt hat. Das Protokoll der Zeugenaussage ist noch einmal eine Abstraktion der Abstraktion. Allerdings gibt es unterschiedliche Grade der Abstraktion von Darstellungen. Bilder wirken konkreter als Texte, bleiben aber trotzdem abstrakt im Verhältnis zu dem, was sie zeigen. Das gilt selbst für die multimediale Kommunikation, wie sie in Corona-Zeiten üblich geworden ist. Die Videokonferenz kann die Präsenzveranstaltung nicht wirklich ersetzen.

Oft wird konkret mit anschaulich gleichgesetzt. Das ist jedoch zu einfach. Die als Justitia allegorisch dargestellte Idee der Gerechtigkeit mag anschaulich sein, der Gedanke bleibt dennoch abstrakt. Allegorien und Metaphern sind nur pseudokonkret, denn sie erwecken den Anschein des unmittelbar sinnlich Wahrnehmbaren.

Der Vergleich von Bildern und Sprache zeigt den Weg zu den Begriffen. Der Weg führt über die Dimension intensional – extensional. Realistische Bilder ohne Kontext sind wie Namen, das heißt, sie identifizieren Gegenstände und haben damit extensionale Bedeutung. Solche isolierten Bilder können nur bezeichnen und aufzählen. Sprache dagegen kann von den konkreten Gegenständen absehen, indem sie intensional das Gemeinte repräsentiert. Aus der Zugspitze, dem Matterhorn und dem Montblanc werden Berge. Aus Peter, Emil, Gerda und Kathrin werden Menschen. Sprache ist abstrakt in dem Sinne, dass sie viele mögliche bildliche Darstellungen zulässt. Realistische Bilder bleiben (relativ) konkret. Ein Bild kann nicht »die Berge« oder »die Menschen« zeigen – wiewohl Künstler das immer wieder versuchen –, sondern nur bestimmte Berge oder Menschen. Worte fassen zusammen, was Bilder trennen.

Abstraktion führt zur Begriffsbildung, Begriffsbildung setzt Abstraktion voraus, denn Begriffe sind Namen für eine Klasse von Gegenständen. Sie werden gebildet, um einzelne Objekte einer Klasse = Gattung zuzuordnen oder als Element der Klasse wiederzuerkennen. Damit kehren unter dem Aspekt der Abstraktion alle Gesichtspunkte wieder, die mit der Begriffsbildung verbunden sind. Auch wenn alle Begriffe insofern abstrakt sind, als sie vom Einzelfall absehen, so sind sie doch darauf angelegt, bekannte und unbekannte Einzelfälle wiederzuerkennen. Begriffe werden gewöhnlich durch Worte repräsentiert. Nackte Symbole, wie sie in der formalen Logik üblich sind, können sowohl (als Namen) für konkrete Gegenstände als auch für Begriffe stehen.

Alle Begriffe sind Gattungsbegriffe. Das ist ein beliebter Ansatzpunkt philosophischer Kritik.

Theodor W. Adorno hat die Kritik in der »Negativen Dialektik« (1967) auf den Punkt gebracht: Im (Gattungs-)Begriff weisen Begriff und Sache auseinander. Die Identifikation von Begriff und Sache übt auf die Dinge einen Zwang aus, denn sie schneidet etwas von ihrer Identität ab. Das klingt gut, hilft aber nicht weiter. Das Antonym zum Begriff wäre der Eigenname. Man kann nicht stets alle Dinge beim Namen nennen. Aber bei Bedarf kann man die konkrete Sache näher ansehen. Anders nur mit Menschen. Die haben alle einen Namen.

Die Kritik ist insofern berechtigt, als man fragen kann, ob nicht Gattungsbegriffe den nominalistischen Ausgangspunkt verlassen, nachdem in aller Strenge nur Einzeldinge benannt werden können. Damit kehrt das Problem wieder, das schon im Zusammenhang mit der Prädikation (o. § 4 Vxxx) angesprochen wurde. Ohne eine Portion Realismus geht es nicht.

Von unserem nominalistischen Ausgangspunkt her sind Gattungsbegriffe soziale Konstruktionen, die je nach Bedarf gebildet werden. Das entspricht nicht dem Alltagsverständnis, das natürliche Gattungen zugrunde legt. Jedermann ist in der Lage, Tiere, Autos oder Blätter als solche zu identifizieren. »Natural Kinds« bilden ein großes Thema spätestens seit Quine in einem Aufsatz mit dieser Überschrift (1969) versucht hat, das Induktionsproblem mit der Annahme natürlicher Gattungen zu lösen. Für uns ist das Thema zu groß. Daher verweisen wir auf Lexikonartikel in IEP und SEP. Anscheinend gibt es so etwas wie einen Naturalized Turn in Epistemology (Chase Wrenn im der Routledge HB of Social Epistemology, 2019). Die Epistemologie kann den Alltagsrealismus doch nicht ganz ingnorieren. Deshalb wagen wir in § XXX u., den zeitweise verpönten Begriff von der »Natur der Sache« wieder aufzunehmen.

Wiewohl Begriffe insofern abstrakt sind, als sie nicht Individuen benennen, sondern eine Klasse von Gegenständen, gibt es doch auch insoweit unterschiedliche Grade der Abstraktion. Je größer die Extension, desto kleiner die Intension und umgekehrt. Das heißt, wenn weniger Eigenschaften definiert werden, wächst die Gattung, sie wird abstrakter. Begriffe, die, wenn auch verallgemeinernd, Sinneswahrnehmungen oder wahrnehmbare Objekte bezeichnen, bleiben anschaulich, ganz gleich ob von Autos oder von Wolken die Rede ist. Eine höhere Stufe wird erreicht, wenn die Sprache Relationen zwischen anschaulichen Gegenständen benennt und damit Begriffe schafft, die nicht mehr auf Anschauliches verweisen. Das beginnt mit so einfachen Begriffen wie Verwandtschaft, Besitz oder Eigentum und endet noch nicht mit Forderung, Schaden oder Erfüllung. Eine weitere Steigerung der Abstraktion besteht darin, abstrakte Relationen zwischen verschiedenen Abstracta zu benennen (z. B. »eine strukturelle Kopplung zwischen dem Rechtssystem und dem politischen System«).

Die Möglichkeit zur Abstraktion geht noch eine wichtige Stufe weiter. Sprachliches Denken ist immer noch auf Objekte ausgerichtet. Der menschliche Geist hat sich jedoch weiter dahin entwickelt, dass er objektlose logische und mathematische Beziehungen erfassen kann (de Sousa).

Schlichtes Denken ist konkret. Es verbindet Eigenschaften mit einem Gegenstand, redet also nicht von Größe an sich, sondern von großen Bäumen oder Bergen, nicht von Klugheit schlechthin, sondern von klugen Füchsen oder Menschen, nicht von der Güte als solcher, sondern von der Güte einer Mutter oder der Güte Gottes. Früher war man deshalb der Ansicht, Abstraktion vollziehe sich als Verselbständigung von Eigenschaften anschaulicher Gegenstände. Als Beispiel galt etwa die Abstraktion des Weißen als Eigenschaft aller weißen Gegenstände, vor allem aber die Abstraktion von Zahlen von den gezählten Objekten. Bei der üblichen intensionalen Definition war genus proximum dann der »Gegenstand«, differentia specifica die Eigenschaft, der Schimmel also ein weißes Pferd. Diese Sichtweise dürfte auf einem ontologischen Vorurteil beruhen, denn es gibt keinen Grund für die Annahme, dass ein Pferd wesentlicher sei als eine Farbe oder, abstrakt formuliert, die Eigenschaft wesentlicher als der Gegenstand. Was wir Gegenstand nennen und was uns als Eigenschaft erscheint, ist ein bloßes Konstrukt unseres Kognitionssystems.

Abstraktion durch die Verselbständigung von Eigenschaften äußert sich sprachlich durch Substantivierung. An die Stelle von Prädikaten, die bis dahin stets mit konkreten Objekten zusammengedacht wurden, treten Substantive, die anscheinend keine Ergänzung mehr durch einen Objektbereich nötig haben. Noch Aristoteles behandelte die Gerechtigkeit als eine Tugend, d.h. als eine Eigenschaft konkreter Menschen. Das war jedoch ein Rückfall in der Entwicklung zum abstrakten Denken, die in der griechischen Philosophie längst stattgefunden hatte. Erst Abstraktion und die mit ihr verbundene Substantivierung machten Platons Ideenlehre möglich, in der die von aller Substanz befreite Idee des Guten den höchsten Platz einnimmt.

Die Abstraktionen der Philosophen (und Juristen) haben sich im europäischen Kulturkreis weit bis in die Alltagssprache hinein ausgebreitet. Wie selbstverständlich reden wir von Sein oder Nichtsein, Wesen und Struktur, Idee und Realität und nicht zuletzt auch vom Recht. Die Reihe solcher Substantivierungen ist unerschöpflich. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie wir ohne sie reden und denken würden. Aber es ist sicher, dass die abstrahierende Substantivierung in viele künstliche Probleme führt. Vielleicht zählt dazu auch der Kampf der Werte im Wertehimmel.

Oft ist es hilfreich, den Prozess des Weglassens von konkreten Details umzukehren, wenn sich die Probleme anders nicht lösen lassen. Wenn Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte im Streit liegen, so kann man beides gar nicht direkt gegeneinander abwägen, sondern muss im Prozess der Abstraktion eine oder mehrere Stufen zurückgehen, um vielleicht Literatur gegen Jugendschutz oder noch konkreter das Werk eines bestimmten Autors gegen die Persönlichkeit des darin verunglimpften Helden ins Auge zu fassen.

Das Recht hat sich mit Hilfe der Sprache seine eigenen Abstraktionen geschaffen. Der wichtigste Abstraktionsmodus des Rechts ist die Formulierung allgemeiner Regeln, die nur wenige Kriterien für relevant erklären und von den vielen Besonderheiten, die jeder konkrete Fall mit sich bringt, absehen.

Abstraktion wird immer wieder als Krankheit des Rechts angesprochen. Sie bildet aber ein allgemeineres Problem. In den Geistes- und Sozialwissenschaften besteht eine Tendenz, allgemeinere Theorien zugunsten immer weiter gehender Differenzierungen (Nuancen) zurückzuweisen. So werden immer detailliertere empirische Beschreibungen verlangt und sie werden von einem nicht endenwollenden Ausbau der Begriffssysteme begleitet, die immer weitere Sachverhalte abdecken sollen (Kieran Healy, Fuck Nuance, Sociological Theory 35, 2017, 118-127). Juristen fühlen sich an die Forderung nach der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erinnert. Es bedarf eines langen Trainings, um die in ihrer Konkretheit unendlich differenzierte Wirklichkeit in wissenschaftlichen Texten zu repräsentieren, das heißt, sie in (abstrakte) Theorie zu bringen. Theorie arbeitet notwendig mit Verallgemeinerungen, die immer zugleich eine Abstraktion darstellen. Es bedarf des Selbstbewusstseins erfahrener Juristen, um dem differenzierten Theoriemosaik der philosophisch und sozialwissenschaftlich inspirierten Rechtstheorie einigen Gewinn abzuringen.

VIII. Begriffe und Metaphern

IX.        Die Aura der Begriffe

Die Überlegungen zu Definition und Terminologie hinterlassen vielleicht den Eindruck, dass es nur darauf ankomme, sauber zu definieren, um klare Begriffe zu gewinnen. Aber mehr oder weniger haben alle Begriffe eine Vorgeschichte, die auch nach einer expliziten Neudefinition noch mitschwingt und die Begriffe wie mit einer Aura umgibt.

Der Begriff der Aura (griechisch = Lufthauch) ist durch Walter Benjamin prominent geworden. In seinem Aufsatz »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« (1936) beklagte er, dass Kunstwerke durch die Möglichkeit massenhafter Reproduktion ihre besondere Ausstrahlung = Aura verlieren könnten.

Allerdings ist es nicht der Begriff als solcher, sondern der zu seiner Bezeichnung verwendete sprachliche Ausdruck, der solche Konnotationen mit sich führt.

Eine gewisse Bestätigung lässt sich psychologischen Untersuchungen entnehmen, die zeigen, dass Wörter mehr oder weniger emotional belegt sind (Louisa Kulke u. a., Differential Effects of Learned Associations with Words and Pseudowords on Event-Related Brain Potentials, Neuropsychologia 124, 2019, 182-191).

Das gilt umso mehr bei der Verwendung von umgangssprachlich vertrauten Vokabeln für juristische Begriffe. Oft handelt es sich dabei um abgestorbene Metaphern, die wieder lebendig werden und bildhafte Vorstellungen einfließen lassen, wie etwa bei der juristischen Person, wenn man sich darüber streitet, ob sie denn nun irgendwie wirklich eine Person oder eine bloße Fiktion sei. Der Begriff der Fiktion ist seinerseits mit der Konnotation von Unwahrheit, Lüge oder Künstlichkeit befrachtet (u. § 7 IVxxx). Viele Konnotationen stammen aus der historisch-politischen Verwendung der Begriffe. So gelten heute viele Begriffe als kolonialistisch, nationalsozialistisch, rassistisch oder sexistisch kontaminiert. Eine analytische Rechtstheorie möchte die Rechtsbegriffe von ihrer Aura befreien, eine Aufgabe, die praktisch nicht gelingen wird. Das gilt zumal für den Rechtsbegriff, dem überpositive Konnotationen nicht auszutreiben sind.

X.     Kampfbegriffe

Einmal wieder liefert Carl Schmitt ein Zitat, bei dem sich anknüpfen lässt:

»Jeder politische Begriff ist ein polemischer Begriff. Er hat einen politischen Feind im Auge und wird in seinem geistigen Rang, seiner intellektuellen Kraft und seiner geschichtlichen Bedeutung durch seinen Feind bestimmt.« (Hugo Preuß – Sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre, 1930, S. 5.)

Umkämpfte Begriffe wie »Komplexität« sind keine Kampfbegriffe. Vielmehr streitet man sich über ihren Inhalt. Rechtsbegriffe sollten keine politischen Begriffe sein, und doch werden sie oft in polemischer Absicht gebildet oder verwendet.

»Verrechtlichung« ist von der Rechtswissenschaft der Weimarer Zeit als Gegenbegriff zur »Klassenjustiz« erfunden worden. Seinecke charakterisiert Rechtspluralismus als modernen Kampfbegriff (Das Recht des Rechtspluralismus, 2015, S. VII, 366). Auer nennt Begriffs- und Konstruktionsjurisprudenz »problematische, polemisch verzerrende Kampfbegriffe gegen das angeblich begrifflich-deduktive Methodenideal der Pandektenwissenschaft« (Der Kampf um die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft, ZEuP, 2015, 773-805, S. 780). Im politischen Diskurs dient selbst »Gerechtigkeit« als Kampfbegriff. »Schlagwort Gerechtigkeit: Kampfbegriff oder ethische Maxime«, lautet ein Buchtitel (Hg. Hermann von Laer, 2015) Die Stoßrichtung wird oft durch ein Attribut angezeigt (soziale Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Generationenengerechtigkeit).

Eine schwache Form von Kampfbegriffen sind strategische Begriffe. Wissenschaft ist auch eine Konkurrenzveranstaltung, in der die Wettbewerber um Anerkennung und Einfluss kämpfen. Eine beliebte Waffe ist die Ein­füh­rung neuer Begrifflichkeiten, die dann als »theoriestrategisch notwendig« gerechtfertigt werden. Ein Beispiel bietet die »Steuerung durch Recht«, mit der Hoffmann-Riem und Schmidt-Aßmann der Verwaltungsrechtswissenschaft neues Terrain erobern wollten (u. XXX). Als strategischer Gegenbegriff taucht bald darauf »Governance« (u. XXX) auf.