Literatur: Manfred Kienpointner, Alltagslogik, 1992; Günter Reiner, Les dichotomies en droit, in: George Azzaria (Hg.), Les nouveaux chantiers de la doctrine juridique, Actes des 4° et 5° Journées d’étude sur la méthodologie 2016, 407-457.
Gegenbegriff (Antonyme; o. § 4 IV) gehören zum Grundbestand des juristischen Handwerkszeugs. Meist dienen sie zur Kennzeichnung von Theorien geringer Reichweite, etwa Einordnung von Auslegungsvarianten und von juristischen Konstruktionen. Meist liefern sie eine gut merkfähige Benennung, und diese Benennung ist dann wiederum geeignet, Inhalte aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren. Es geht um Begriffspaare wie absolut und relativ, abstrakt und konkret, Innenverhältnis und Außenverhältnis usw. Da diese Begriffspaare sich oft auf unterschiedliche Konstellationen anwenden lassen, sprechen wir von Versatzstücken.
Zu jedem der folgenden Beispiele ließen sich Literaturstellen in großer Zahl anführen. Wir vertrauen darauf, dass die Beispiele aus sich heraus verständlich sind und verzichten auf eine Fußnotenschlacht. Die »Versatzstücke« sind alphabetisch und nicht nach Sachkriterien geordnet.
Absolut – relativ: Absolute Rechte wie das Eigentum oder das Namensrecht wirken gegen jedermann. Forderungen dagegen sind insofern relativ, als sie Rechte und Pflichten nur zwischen Gläubiger und Schuldner erzeugen. Ähnlich unterscheidet man zwischen absoluten und relativen Veräußerungsverboten. Absolute Theorien zur Begründung der Strafe – punitur, quia peccatum est – sind im Sinne Max Webers wertrational, während relative Theorien zweckrational[1] auf Abschreckung, Besserung oder Sicherung abzielen (punitur, ne peccetur). Bei Abstimmungen sind teils absolute, teils relative Mehrheiten erforderlich.
Abstrakt – kausal: Verfügungen sind abstrakt, das heißt, damit sie bereicherungsfest sind, ist ein zusätzlicher Rechtsgrund erforderlich. Verpflichtungsgeschäfte sind in der Regel kausal, das heißt, sie tragen ihren Rechtsgrund in sich. Es gibt aber auch abstrakte Verpflichtungen, so das Schuldversprechen und das Schuldanerkenntnis nach §§ 780 f. BGB.
Abstrakt – konkret: Als abstrakte Normenkontrolle bezeichnet man ein Verfahren zur Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtsnorm, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, außerhalb eines akuten Rechtsstreits. Eine abstrakte Normenkontrolle ist in Art. 93 I Nr. 2 GG vorgesehen, ebenso vor den Landesverfassungsgerichten und für untergesetzliches Recht gem. § 47 VwGO. Eine konkrete Normenkontrolle findet statt, wenn das Gericht in einem Rechtsstreit, also in einem konkreten Fall, ein entscheidungserhebliches Parlamentsgesetz für unwirksam hält (Art. 100 I GG). Im Strafrecht differenziert man zwischen abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten. Wenn es um die Berechnung der Frist für die Strafverfolgungsverjährung geht, kommt es nach § 12 StGB »abstrakt« auf den im Gesetz genannten Strafrahmen an. Für die Festsetzung der Einheitsstrafe bei Idealkonkurrenz ist dagegen nach § 52 II StGB der konkret unter Berücksichtigung von Erschwerungs- oder Milderungsgründen in Betracht kommende Strafrahmen zugrunde zu legen. Schadensersatz ist nach § 249 BGB grundsätzlich konkret zu berechnen. In einigen Fällen hat das Gesetz jedoch eine abstrakte Berechnungsart vorgesehen, so in § 288 I BGB für Verzugszinsen und in § 376 II HGB für den Schadensersatz wegen Nichterfüllung beim Fixhandelskauf.
Aktiv – passiv: Wer wählen darf, ist aktiv wahlberechtigt, wer gewählt werden kann, genießt passives Wahlrecht. Wer im Namen eines anderen eine Willenserklärung abgibt, ist aktiver Stellvertreter, wer eine Erklärung für einen anderen entgegennimmt, handelt in passiver Stellvertretung. Die Prozesspartei, welcher der geltend gemachte Anspruch zusteht, besitzt die Aktivlegitimation, der richtige Beklagte ist passiv legitimiert. Aktive Sterbehilfe ist strafbar, passive wird geduldet.
Echt – unecht: Aus Begehungsdelikten können bei Verletzung einer Garantenpflicht unechte Unterlassungsdelikte entstehen. Die mittelbare Stellvertretung wird auch als unechte bezeichnet. Im Gegensatz zur echten wird die unechte Rückwirkung von Gesetzen für verfassungsmäßig gehalten.
Einfach – qualifiziert: Vom einfachen Diebstahl des § 242 StGB unterscheidet man verschiedene erschwerte = qualifizierte Fälle. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis, das sich nicht nur über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern auch über die Leistungen des Arbeitnehmers äußert.
Eigen – fremd: Im Besitzrecht ist die Unterscheidung von Eigenbesitz und Fremdbesitz relevant. Ähnlich unterscheidet man zwischen Eigen- und Fremdgeschäftsführung und ebenso zwischen Eigenverwaltung und Fremdverwaltung (GoA).
Engere Bedeutung – weitere Bedeutung: Für die Amtshaftung bei hoheitlichem Handeln nach Art. 34 GG ist ein weiter (haftungsrechtlicher) Beamtenbegriff maßgeblich. Für die Haftung aus § 839 BGB bei privatrechtlichem Handeln dagegen der enge (beamtenrechtliche). Gesetz im engeren Sinne ist nur das Parlamentsgesetz, Gesetz im weiteren Sinne dagegen »jede Rechtsnorm« (Art. 2 EGBGB).
Enumeration – Generalklausel: Die VwGO enthält in § 40 für den Zugang zu den Verwaltungsgerichten eine Generalklausel. Dagegen sind die Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts in § 13 BVerfGG enumerativ. Aus dieser Enumeration schließt man, dass diese Zuständigkeiten abschließend aufgezählt sind. Soll eine Aufzählung nicht abschließend sein, weist der Gesetzgeber meistens darauf hin, z.B. § 243 I 2 StGB (»in der Regel«).
Ex ante – ex post: Hier geht es um den Standpunkt des Beobachters oder Beurteilers. Nach § 32 Abs. 1 UrhG hat der Urheber Anspruch auf eine gesonderte angemessene Vergütung, wenn der Vertragspartner eine neue Art der Werknutzung nach § 31a aufnimmt, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart, aber noch unbekannt war. Die Literatur neigt zu einer Ex-post-Betrachtung. In Art. 39 der Haushaltsordnung von Eurojust sind die Ex-ante-Prüfung eines Vorgangs und die Ex-post-Prüfung zu Rechtsbegriffen geworden. Wenn es bei der Beurteilung eines Falles auf das Wissen der Beteiligten ankommt, so wird man in der Regel einen Ex-ante-Standpunkt beziehen, also auf das Wissen vor Eintritt des zu beurteilenden Ereignisses abstellen (so z. B. im Polizeirecht bei der Gefahrbeurteilung). Hinterher weiß man vieles besser; vor allem erinnert man sich nur verzerrt an seine eigenen Prognosen und unterstellt anderen, dass sie den Verlauf hätten vorhersehen können. Es besteht die Tendenz, wenn das Ergebnis einer Handlung oder einer Ereigniskette bekannt ist, zu schließen, dass dieses Ergebnis auch vorhersehbar war oder sogar vorhergesehen wurde. Das wird oft nicht bedacht, und daraus ergibt sich leicht ein Rückschau-Fehler. Bei der Rückschau auf fremde Entscheidungen spricht man vom Historiker-Irrtum.[2] Man könnte ihn auch Juristen-Irrtum nennen.
Im US-amerikanischen Recht spielt das Gegensatzpaar eine größere Rolle, denn dort dient diese Unterscheidung auch dazu, den Gegensatz zwischen einer folgenorientierten Sichtweise, wie sie von der Ökonomischen Analyse des Rechts vertreten wird, und der traditionellen Vergangenheitsorientierung des juristischen Urteils zu kennzeichnen.Gleich der erste Artikel im Legal Theory Lexicon von Lawrence B. Solum befasst sich mit dem Begriffspaar Ex Ante/Ex Post. Dabei geht es, anders als bei unseren »Versatzstücken«, nicht um eine kleine Theorie für die praktische Rechtsanwendung, sondern um den prinzipiellen Unterschied zwischen der normativen oder deontologischen Bewertung eines Sachverhalts »ex post« und der utilitaristischen Perspektive, die »ex ante«, d. h. in die Zukunft gerichtet, nach den Folgen einer Entscheidung fragt.
Auch in dem Buch von Ward Farnsworth, The Legal Analyst (2007), findet sich gleich am Anfang ein Abschnitt über »Ex Ante and Ex Post«. Der beginnt mit einem wunderbaren Beispiel: Ein Räuber betritt eine Bank, richtet seinen Revolver auf einen Kunden und verlangt vom Kassierer Geld aus der Kasse. Als der Kassierer sich weigert, erschießt der Räuber den Kunden. Nun fordern dessen Erben von der Bank Schadensersatz. Farnsworth stellt darauf ab, dass die Ex-post-Betrachtung zu einer fallbezogenen Konfliktlösung führt, die unter dem Gesichtspunkt der Fairness und der distributiven Gerechtigkeit zu diskutieren ist, während die Ex-Ante-Betrachtung dem entspricht, was wir Folgenberücksichtigung nennen. Es geht also um die Frage, welche Folgen die Entscheidung des Falles, als Regel gedacht, haben würde. Im Beispielsfall bedeutet das: Bei einer Ex-Post-Betrachtung könnte man erwägen, dass die Bank durch Herausgabe des Geldes den Tod des Kunden hätte vermeiden können, ferner, dass die Bank eher in der Lage ist, das Risiko eines Überfalls zu tragen und die Folgen auszugleichen. Dann hätten die Erben mit ihrer Klage wohl Erfolg. Eine Ex-Ante-Betrachtung würde aber zu bedenken geben, dass künftig alle Bankräuber damit rechnen könnten, auf bloße Drohung hin Geld zu erhalten mit der Folge, dass Banküberfälle sich häufen würden. Diese Überlegung führt dann zur Klagabweisung. Es gelingt den Amerikanern sehr gut, die beiden unterschiedlichen Argumentationsweisen herauszuarbeiten. Ihre Vorliebe für die Ex-Ante-Betrachtung ist nicht zu übersehen. Sie hat beruht auf der Vorliebe für die Ökonomische Analyse des Rechts und dem damit verbundenen Effizienzdenken.
Es besteht kein Grund, die amerikanische Begriffsbildung zu übernehmen, denn ex post und ex ante sind bei uns anders belegt.
Ex-nunc – ex-tunc: Die Kündigung eines Vertrages wirkt ex nunc, das heißt, erst mit Ablauf der Kündigungsfrist. Eine Anfechtung dagegen hat nach § 142 BGB Rückwirkung und wirkt damit ex tunc; ebenso das stattgebende Anfechtungsurteil gem. § 113 I 1 VwGO.
Innenverhältnis – Außenverhältnis: Die Rechtsbeziehungen zwischen Vertreter und Geschäftsherrn bilden das Innenverhältnis. Die Beziehungen des Geschäftsherrn zum Dritten werden als Außenverhältnis bezeichnet. Ähnlich bildet das Verhältnis der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft untereinander das Innenverhältnis. Das Verhältnis der Gesellschafter in ihrer Verbundenheit gegenüber Dritten bildet das Außenverhältnis. Die Organe einer Gesellschaft haben nach außen ein Mandat und nach innen einen Dienstvertrag. Auch im öffentlichen Recht können wir das Innenverhältnis der Behörde zu ihren Bediensteten, in dem z.B. innerdienstliche Weisungen ergehen, von dem Außenverhältnis zu den Bürgern unterscheiden (vgl. § 35 VwVfG: »auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet«).
Institutionell – materiell: Was Kunst oder Wissenschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG bedeuten sollen, ist inhaltlich (materiell) schwer zu definieren. Leichter fällt eine institutionelle Definition: Kunst ist, was im Museum hängt, Wissenschaft, was in der Universität passiert. Man kann hier »institutionell« auch durch »formell« ersetzen.
Institutionell – funktional: Diese Unterscheidung ist mit der vorigen verwandt. Sie wird z.B. bei der Auslegung von Art. 45 IV AEUV herangezogen. Nach der institutionellen Betrachtungsweise fällt jede Beschäftigung bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber unter die Ausnahme. Die h. M. dagegen stellt auf eine funktionale Betrachtungsweise ab mit der Folge, dass es auf die Besonderheiten der konkreten Tätigkeit ankommt. Ganz parallel der funktionale Auftraggeberbegriff im Vergaberecht. »Funktional« fasst häufig das Ergebnis einer teleologischen Auslegung zusammen.
Inter (erga) omnes – inter partes: Dieses Begriffspaar ist spezieller als »absolut« und »relativ«. Ein Vertrag begründet Verpflichtungen nur zwischen den Vertragsschließenden, also nur inter partes. Ein Urteil wirkt in der Regel nur zwischen den Parteien. Etwas anderes gilt für Gestaltungsurteile (§ 640h S. 1 ZPO) oder (verwerfende) Entscheidungen im Rahmen der Normenkontrolle (§§ 78, 95 III BVerfGG; § 47 V 2 VwGO).
Konstitutiv – deklaratorisch: Ein Schuldanerkenntnis, das eine schon bestehende Forderung bestätigt, ist deklaratorisch, ein Anerkenntnis i. S. des § 781 BGB, das eine neue Forderung begründet, dagegen konstitutiv. Ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Nichtigkeit eines verfassungswidrigen Gesetzes nur deklaratorisch feststellt oder sie konstitutiv herbeiführt, ist umstritten.
Materiell – formell: Formell wird oft mit prozessual bzw. prozedural gleichgesetzt. Man unterscheidet aber nicht nur zwischen materiellem und formellem Recht, sondern auch zwischen formeller und materieller Rechtskraft, zwischen einem materiellen und einem formellen Parteibegriff und für den Strafprozess zwischen einem formellen und einem materiellen Beschuldigtenbegriff. Der Bundespräsident nimmt gegenüber den Gesetzen ein formelles und (nach umstrittener Auffassung) ein materielles Prüfungsrecht in Anspruch. Im Grundbuchrecht kennen wir das formelle und ausnahmsweise das materielle Konsensprinzip. Immer noch verbreitet ist die Unterscheidung zwischen Gesetzen im materiellen und solchen im formellen Sinne. [In den meisten dieser Fälle ist das aber kein Gegensatz: Gesetze im formellen können auch solche im materiellen Sinne sein.]
Mittelbar – unmittelbar: Das BGB verwendet in einem Dutzend Vorschriften die Ausdrücke »unmittelbar« oder (seltener) »mittelbar«.[3] Im Zivilrecht unterscheiden wir zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitz oder Stellvertretung, im Strafrecht zwischen mittelbarer und unmittelbarer Täterschaft, im öffentlichen Recht zwischen mittelbarer oder unmittelbarer Staatsverwaltung. Nach einer unerlaubten Handlung i. S. von § 823 BGB ist nur der »unmittelbar« Geschädigte zum Schadensersatz berechtigt. Im Polizei- und Ordnungsrecht hält man teilweise nur die »unmittelbare« Ursache für relevant. Im Verfassungs- und Europarecht ist die Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung relevant. Unmittelbare Diskriminierung ist schlechthin verboten, mittelbare – etwa die höhere Bezahlung von Arbeitnehmern mit einem höheren Dienstalter, die Frauen wegen familienbedingter Ausfallzeiten mittelbar benachteiligen könnte – in Grenzen zulässig. Allerdings zeigt sich immer wieder, dass das Gegensatzpaar wenig unterscheidungskräftig ist.[4] Für »mittelbar – unmittelbar« steht teilweise auch »direkt – indirekt«.
Nichtigkeit – Vernichtbarkeit (Anfechtbarkeit): Fehlerhafte Rechtsgeschäfte und Verwaltungsakte sind entweder ohne weiteres nichtig oder sie sind bloß vernichtbar. Im letzteren Falle wirkt die Anfechtung konstitutiv. Die Feststellung der Nichtigkeit dagegen ist bloß deklaratorisch.
Objektiv – subjektiv: In der Allgemeinen Rechtslehre unterscheiden wir das objektive Recht von den daraus fließenden subjektiven Rechten. Im Zivilrecht wie im Strafrecht unterscheiden wir bei der Fallprüfung den objektiven Tatbestand und die subjektive Tatseite. Bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme streiten eine objektive und eine subjektive Theorie. Subjektive und objektive Theorien gibt es aber auch an vielen anderen Stellen. Nach der subjektiven Theorie zu § 1365 BGB hängt die Wirksamkeit der Verfügung eines Ehegatten davon ab, ob der Erwerber wusste, dass der ihm übertragene Gegenstand das gesamte Vermögen des verheirateten Veräußerers ausmachte. Die objektive Theorie verzichtet auf Kenntnis des Erwerbers. Wiewohl es zwischen objektiv und subjektiv eigentlich kein mehr oder weniger gibt, haben wir doch keine Schwierigkeiten vermittelnde Theorien anzuerkennen.
Originär – derivativ: Originär ist ein Erwerb von Eigentum oder sonstigen Rechten, der nicht durch Rechtsgeschäft oder Rechtsnachfolge herbeigeführt wird, s der Rechtserwerb des Finders (§973 BGB) oder das Patentrecht des Erfinders. Für den derivativen (abgeleiteten) Erwerb gilt grundsätzlich, dass der neue Rechtsinhaber nicht mehr gewinnen kann, als dem alten zusteht (nemo plus juris transferre potest quam habet).
Positiv – negativ: Im Schadensersatzrecht dient das Begriffspaar zur Unterscheidung von positivem und negativem Interesse. Bedingungen lassen sich als positiv oder negativ kennzeichnen. Die verschiedenen öffentlichen Register (Handelsregister, Grundbuch u.a.) genießen teils positive, teils negative Publizität.
Einige andere Begriffe mit ähnlicher Funktion sind weniger prägnant, weil es an einem sprachlich sich aufdrängenden Gegenbegriff fehlt.
Inzident – selbständig: Auf dem Weg zu der eigentlich interessierenden Anspruchsgrundlage sind meistens Vorfragen zu prüfen, die man nicht selbständig zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens machen könnte. Dabei geht es in erster Linie um die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage. Die konkrete (= unselbständige) Normenkontrolle wird dadurch ausgelöst, dass das Gericht zuvor inzident die Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes prüft.
Parteien – Dritte: Der Gegensatz ist spezieller als das Begriffspaar inter (erga) omnes – inter partes. Die Grundkonstellation der meisten Rechtsverhältnisse ist zweiseitig oder bipolar. Das gilt für Verträge ebenso wie für Verwaltungsverfahren oder für Gerichtsprozesse. Komplikationen entstehen, wenn im Einzelfall Dritte beteiligt sind. Bei der Anfechtung von Willenserklärungen nach § 123 BGB ist es manchmal schwierig zu unterscheiden, ob jemand nur Dritter ist oder ob er der Partei des Rechtsgeschäfts zugerechnet wird. Beim Verwaltungsakt ist oft zweifelhaft, ob er Drittwirkung äußert. Im Prozess gibt es für Drittbeteiligte besondere Rollen als Intervenienten, Streitverkündete oder Nebenkläger. Nicht zuletzt bei den Grundrechten der Verfassung wird die Drittwirkung zwischen Bürgern von der Direktwirkung zwischen Bürger und Staat unterschieden.
Die Aufzählung von »Versatzstücken« erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, obwohl es schwer fallen dürfte, sie erheblich zu verlängern.[5]
Fündig wird man noch in der Rechtstheorie. Vielfältig anwendbar ist die Kennzeichnung unterschiedlicher Beobachterstandpunkte als Objektebene und Metaebene. In der Methodenlehre kennt man bestimmte und unbestimmte Rechtsnormen. Wir bevorzugen in Anlehnung an amerikanische Vorbilder die Benennung als harte oder weiche Rechtsnormen. Hart und weich ist auch sonst ein beliebtes Gegensatzpaar der amerikanischen Rechtstheorie. So gibt es harte und weiche Versionen des Rechtspositivismus und des Rechtspluralismus. Das Begriffspaar eignet sich aber auch zur Übersetzung, wenn die Amerikaner zwischen der »dicken« und der »dünnen« Version einer Theorie (thick theory – thin theory) unterscheiden. Die weiche Version beschränkt sich auf Elemente, bei denen man Konsens voraussetzen kann, während die harte Version strittige Punkte einschließt.[6]
Mancher wird in unserer Liste vielleicht das Begriffspaar öffentlich(-rechtlich) – privat(-rechtlich) vermissen. Aber dieses Paar ist, obwohl vielfach verwendbar, nicht mehr bloß äußerlich oder formal, sondern mit Bedeutung geladen. Es gehört in die Reihe der Begriffe, die zwar auch als Alltagsbegriffe dienen, die aber in juristischem Kontext sofort als Rechtsbegriffe verstanden werden. Dafür gibt es außer öffentlich und privat weitere Beispiele wie Tun und Unterlassen, Tatfrage und Rechtsfrage oder Rechte und Pflichten. Auch hier verhilft die paarweise Anordnung der Begriffe zur Strukturbildung. Aber um die Struktur zu erfassen, muss man inhaltlich tiefer eindringen.
Die Gegensätze, mit denen die »Versatzstücke« arbeiten, gehören zu den in der Alltagslogik[7] geläufigen Schemata:
- Einordnung: Eine Sache wird als Gattung oder Art (Genus oder Spezies) einer anderen definiert.
- Vergleich: Zwei Gegenstände werden als gleich, ähnlich oder verschieden hingestellt.
- Gegensatz: Zwei Gegenstände werden als kontradiktorisch oder konträr, als vereinbar oder inkompatibel deklariert.
Man darf sie deshalb nicht gering schätzen. Gerade wegen ihrer Vertrautheit sind sie so eingängig und merkfähig, ohne im juristischen Kontext in die Irre zu führen. Im juristischen Kontext leisten die Gegensatzpaare sogar noch mehr als im Alltag, denn sie geben eine Achse an oder eine Richtung, in der der Unterschied zwischen alternativen gesetzlichen Regelungsmodellen, juristischen Konstruktionen oder Interpretationsvorschlägen zu suchen ist. So haben sie zwar keinen eigenen Erkenntniswert. Aber mit ihrer Hilfe entwickeln Juristen jenes Differenzierungsvermögen, das eine der spezifischen Kompetenzen juristischen Denkens ausmacht.
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[1] Zu dieser Unterscheidung Webers Klaus F. Röhl, Rechtssoziologie, 1987, § 20, 3., im Internet verfügbar unter http://www.ruhr-uni-bochum.de/rsozinfo/.
[2] Psychologen sprechen vom hindsight bias oder vom outcome bias. Der Rückschaufehler gehört in die Reihe der kognitiven Täuschungen und Heuristiken, die, ausgehend von Arbeiten von Amos Tversky und Daniel Kahnemann in der Verhaltensökonomie viel Aufmerksamkeit gefunden haben, aber sehr schnell auch zum Zeitungsleserwissen geworden sind. (Daniel Kahneman/Amos Tversky, Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk, Econometrica 47, 1979, 263-291. Kahnemann erhielt dafür 2002 den Nobelpreis. Tversky war schon 1996 verstorben.)
[3] Hans Leo Weyers, Über die »Unmittelbarkeit« als Rechtsbegriff, JZ 1991, 999-1003, Fn. 2: §§ 123 II 2, 143 II, IV 1 und 2, 164 I 1, 328 I, 329, 330 S. 1, 784 I, 796, 816 I 2, 868-870 (mittelbarer Besitz), §§ 2080 I, 2081 II 1, 2161 S. 2, 2194 S. 1, 2196 I.
[4] Weyers a. a. O.
[5] Weyers (S. 1000 Fn. 3) nennt als weitere Gegensatzpaare »offen – verdeckt«, »offen – geschlossen« sowie »mit X – ohne X«, allerdings ohne dafür Beispiele anzugeben.
[6] Ein Beispiel gibt Lawrence B. Solum mit dem Artikel »Virtue Jurisprudence« seines Legal Theory Lexicon (http://lsolum.typepad.com/legal_theory_lexicon/2004/04/legal_theory_le_2.html).
[7] Manfred Kienpointner, Alltagslogik, 1992, 166 ff. (Genus-Spezies, S. 264 ff; Vergleich, S. 274 ff; Gegensatz, S. 306; Kausalschema, S. 328 ff. Dagegen finden die drei anderen Argumenttypen (Definitionsschemata, S. 250 ff – entspricht etwa der Subsumtion –, Ganzes-Teil-Schemata, S. 274 ff – Was vom Ganzen ausgesagt wird, wird auch von Teilen ausgesagt – und Kausalschemata, S. 328 ff) in den Versatzstücken keine Entsprechung.