Literatur: Ian Ayres/Robert Gertner, Filling Gaps in Incomplete Contracts. An Economic Theory of Default Rules, The Yale Law Journal 99, 1989, 87-130; Stefan Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts. Ein rechtsökonomischer Beitrag zu einer Rechtsetzungslehre des Privatrechts, 2012; Oskar Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht und die verbindliche Kraft der Rechtsordnung, AcP 64, 1880, 1-109; Johannes Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, Funktionsweise und Qualitätsmerkmale gesetzlicher Regelungsmuster, 2010; Ḥanoch Dagan/Michael Heller, The Choice Theory of Contracts, 2017; dies., Autonomy Defaults, SSRN 2024, 4754123; Lorenz Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012; Florian Möslein, Dispositives Recht, 2011; Lawrence Solum, LTL: Default Rules and Completeness, 2022; Cass R. Sunstein, Deciding by Default, University of Pennsylvania Law Review 162, 2913, 1-58.
I. Dispositives Recht
Zwingendes Recht ist der Normalfall. Das heißt, Geltung und Anwendung des Rechts stehen nicht zur Disposition der Beteiligten.
Im 20. Jahrhundert zeigte die Nennung des dispositiven Rechts in erster Linie auf das Phänomen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Ergebnis, dass diese im Zuge der Schuldrechtsreform weitgehend gezähmt wurden. Im neuen Jahrhundert wurde das dispositive Recht als Instrument der Rechtsgestaltung neu entdeckt. Von 2010 bis 2012 sind vier Habilitationsschriften erschienen, die sich dem Thema widmen. Dieser Aufstieg des Themas ist nicht zuletzt ein Verdienst der ökonomischen Analyse des Rechts.
Abdingbare Normen gibt es in allen Rechtsordnungen. Aber sie nehmen in Rechtsordnungen, die nach dem europäischen Modell auf generelle Normen bauen, einen größeren Raum ein, als im Common Law, weil abstrakte Normen in dem Sinne generell sind, dass sie ein größeres Fallspektrum erfassen. Insoweit deckt dispositives Recht den Bedarf nach Ausnahmeregelungen. Es bildet damit ein funktionales Äquivalent für die grundsätzlich detaillierten (und damit längeren) Vorschriften in Fallrechtssystemen (Kähler S. 54ff).