I. Die Verfassung und das Europäische Primärrecht als Fundament der Rechtsquellenlehre
Literatur: Markus Kotzur, Verfassung – Begriff und Bedeutung im Mehrebenensystem, HVwR III, § 58; Anne Peters, Grundlage europäischer Konstitutionalisierung: Die Entkopplung von Verfassung und Staat, in: Ulrike Liebert (Hg.), Postnationaler Verfassungsprozess im neuen Europa, 2006, 35-64.
Den Ausgangspunkt der Rechtsquellenlehre und ihre gleichzeitig wichtigste Rechtsquelle bilden die Verfassungen des Bundes und der Länder im Verbund mit den Gründungsverträgen der Europäischen Union (»Komposit-Struktur«). Die Geltung der Verfassung brauchen wir im Rahmen der Rechtsquellenlehre nicht weiter zu problematisieren. Die Geltung der EU-Verträge ist gleichermaßen unverrückbar, auch wenn ihre gemeinsame Geltung ist in den Extremstellen nicht konfliktfrei ist (o. § 57). Das Primärrecht wird einstweilen nicht als Verfassung bezeichnet, auch wenn sich die Europäische Union als supranationales Gebilde einem föderalen Staat ein Stück angenähert hat. Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages hat der Vertrag von Lissabon jedoch den Begriff der Verfassung mit Absicht vermieden.
Das Primärrecht der Europäischen Union mit Maßstabsfunktion für das übrige Unionsrecht bilden im Wesentlichen der EUV und der AEUV. Ebenfalls zum Primärrecht zählt gem. Art. 6 I EUV die Charta der Grundrechte der EU. Ihr kommt nach dieser Vorschrift derselbe Rang zu wie den Gründungsverträgen.
Das Vereinigte Königreich und Polen hatten/haben allerdings im Protokoll Nr. 30 zum Vertrag von Lissabon die Möglichkeit ausgeschlossen, sich vor ihren Gerichten auf die EUGrCh zu berufen.
…