§ 58 Die Geltung des Völkerrechts

I. Die Substanz des Völkerrechts

Zentrale Aufgaben der Menschheit können nur durch global abgestimmtes und daher auch durch Regeln koordiniertes Handeln bewältigt werden. Die Staatenpraxis ist ohne Völkerrecht schwer vorstellbar. Staatsgrenzen und Hoheitsgebiete sind völkerrechtlich gesichert. Friedensvölkerrecht und humanitäres Völkerrecht sind nicht perfekt, aber viel besser als nichts. Welthandel und Kommunikation würden ohne begleitendes Völkerrecht kaum funktionieren. Der diplomatische Verkehr ist ein Paradestück des Völkerrechts, internationale Rechtshilfe für Zivil- und Strafrecht gelebte Praxis. Völkerrechtliche Vorgaben prägen die Tätigkeit staatlicher Gerichte. Das Völkerrecht hat seine Grundlage in der Staatenpraxis sowie in unzähligen bilateralen oder multilateralen Staatsverträgen.

Einige der wichtigsten Verträge sind für alle Staaten offen, auch wenn de facto (noch) nicht alle beigetreten sind. Beispiele sind die UN-Charta, die Genfer Rotkreuzabkommen zum Schutz des Individuums in Kriegszeiten, das WTO-Abkommen und die Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK). Alles Weitere bei der Vertragsdatenbank vilp.de.

Das Völkerrecht lebt in vielen durch Verträge begründeten Organisationen. Die prominenteste Organisation sind die Vereinten Nationen mit ihren Unterorganisationen wie UNESCO, ILO und FAO. Auch an der Welthandelsorganisation (WTO) und der Atomenergiebehörde, am Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ist die große Mehrheit der Staaten beteiligt. Daneben gibt es zahlreiche regional begrenzte, dem Völkerrecht zuzurechnende Gebilde wie Europarat, Arabische Liga und Afrikanische Union, Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), den Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) und andere mehr.

Vertiefend Jan Klabbers, An Introduction to International Institutional Law, 2. Aufl. 2013; Matthias Ruffert/Christian Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl. 2015.)

»Viele globale Institutionen oder Regelwerke sind heute veraltet oder einfach zu schwach, und geopolitische Spaltungen verhindern die notwendigen Reformen. … Gleichzeitig sind mächtigere internationale Institutionen entweder bis zur Handlungsunfähigkeit gespalten – wie etwa der Sicherheitsrat – oder undemokratisch aufgebaut – wie viele unserer internationalen Finanzinstitutionen.« (Antonio Guterrez, FAZ v. 6.2.22).

Es gibt eine kaum mehr übersehbare Anzahl von übernational tätigen Gerichten oder Spruchkörpern. Das »Project on International Courts and Tribunals«, das gemeinsam von Instituten der New York University und dem University College London betrieben wird, hat eine dreistellige Zahl solcher Konfliktlösungsinstanzen ermittelt. Die große Mehrzahl hat einen völkerrechtlichen Hintergrund. Einige beanspruchen eine weltweite Zuständigkeit wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag, der Internationale Seegerichtshof und der Dispute Settlement Body der WTO. Internationale Strafgerichte bilden der Internationale Strafgerichtshof (ICC), oder die Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda. Dem Menschenrechtsschutz dienen (regionale Gerichte) wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und der Interamerican Court of Human Rights.

Ein erheblicher Teil des übernationalen Rechts ist so genanntes Soft Law (o. § 37 Vxxx). Im Völkerrecht ist das Soft Law wichtig, weil es keinen Gesetzgeber gibt. Verbindliches Recht kann in der Regel nur im Konsens beschlossen werden. Im Institutionalisierten Völkerrecht gibt es Blockademöglichkeiten, deren prominenteste das Veto-Recht nach Art. 27 III UN-Charta ist. Während die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats verbindlich sind (Art. 25 UN-Charta), kann die Generalversammlung nur Empfehlungen abgeben (Art. 10ff UN-Charta). Unter diesen Umständen bildet Soft Law ein bewährtes Rezept, um das internationale System in Gang zu halten. Soft Law findet sich daher in vielen völkerrechtlichen Verträgen.

II. Eigenschaften des Völkerrechts

III. Das Völkerrecht als Rechtssystem

IV. Völkerrecht und staatliche Rechtssysteme – Monismus oder Dualismus

V. Geltung des Völkerrechts als Völkerrecht

VI. Innerstaatliche Geltung des Völkerrechts und Geltung in der EU

VII. Konstitutionalisierung des Völkerrechts

VIII. Die Durchsetzung des Völkerrechts