§ 1 Gegenstand und Methode der Allgemeinen Rechtslehre

I.        Aufgaben der Allgemeinen Rechtslehre

Wer das Jurastudium beginnt, steht vor einer erdrückenden Fülle des Stoffes. Deshalb ist es immer wieder überraschend, wie schnell und sicher ausgebildete Juristen sich mit neuen Rechtsfragen oder gar in fremden Rechtsordnungen zurechtfinden. Die übliche Erklärung für diese Leistung lautet, sie hätten gelernt, juristisch zu denken. Juristisches Denken lernt man durch intensiven Umgang mit dem Recht während der Ausbildung an der Universität und in der anschließenden Praxis. Die Allgemeine Rechtslehre liefert dazu die theoretische Begleitung.

Vieles von dem, was die Kompetenz der Juristen ausmacht, scheinen Selbstverständlichkeiten zu sein, die mehr oder weniger beiläufig erlernt werden. Sie verleihen dem Recht Struktur, und wenn man sie einmal beherrscht, erscheinen sie beinahe trivial. Es liegt ähnlich wie mit der Grammatik. Man lernt sie selbsttätig durch lang dauernde Übung, und wenn man sie kann, bleibt sie im Hintergrund. Doch ohne Grammatik leistet die Sprache nur einen Bruchteil dessen, wozu sie fähig ist. Doch die Sprache und ihre Grammatik befinden sich in ständiger Bewegung. Auch Muttersprachler müssen sich ihrer immer wieder vergewissern und sie sich dazu bewusst machen. Eine Aufgabe der Allgemeinen Rechtslehre besteht deshalb darin, grundlegende Methoden juristischen Denkens und einen Kernbestand von Rechtsformen und Begriffen und die zugrunde liegenden Theorien zu identifizieren, die sozusagen die Grammatik des Rechts ausmachen.

Die Aufgabe ist nicht neu. Eine »Allgemeine Rechtslehre« hat seit dem 19. Jahrhundert in der deutschen Rechtswissenschaft Tradition (u. III). Es gelang ihr aber nicht, praxisrelevant zu werden, weil sie meinte, die Strukturen von Methoden und Inhalten trennen zu können. Die theoretische Anleitung zum juristischen Denken wurde daher im 20. Jahrhundert von den Einleitungen zu den großen Darstellungen des bürgerlichen Rechts wahrgenommen.[1] Wichtige Teilstücke fanden sich ferner unter der Überschrift »Juristische Methodenlehre«[2]. Aber die Methodenlehre konzentriert sich auf die Textauslegung, während wir für die Allgemeine Rechtslehre als »Methoden« die Denkwerkzeuge und Kommunikationsmittel der Jurisprudenz in den Blick rücken, die bei der Rechtsanwendung oft wie selbstverständlich vorausgesetzt werden.[3]

Wer weiter fortgeschritten ist und selbst juristisch zu arbeiten beginnt, steht vor der Frage, nach der Wissenschaftlichkeit der Jurisprudenz. Sie ist nicht evident, sondern wird im Gegenteil ständig angegriffen, etwa mit der These, alles Recht sei politisch. Eine wichtige Aufgabe der Allgemeinen Rechtslehre besteht deshalb darin, einen pragmatischen Ausweg aus dieser schier endlosen Diskussion zu suchen, der es gestattet, die Juristentätigkeit zu reflektieren, ohne vor lauter Kritik und Selbstkritik handlungsunfähig zu werden. Insofern ist die Allgemeine Rechtslehre eine Einführung in die Rechtswissenschaft.[4]

Längst haben sich das Recht und die Rechtswissenschaft in zahlreiche Sachgebiete und Spezialitäten aufgelöst. In dieser Situation besteht eine Notwendigkeit, über alle Rechtsgebiete und Fächergrenzen hinweg das Gemeinsame herauszustellen. Die Allgemeine Rechtslehre hat daher die Einheit der Rechtswissenschaft vor Augen. Spezialisierung ist notwendig. Niemand kann sie aufhalten. Allgemeine Rechtslehre wendet sich jedoch gegen jene Eigendynamik der Spezialisierung, die Spezialisten das Rad neu erfinden lässt. Juristisches Wissen und juristische Theorien sind redundant, das heißt, alles ist doppelt und dreifach in unterschiedlicher Verkleidung vorhanden. Allgemeine Rechtslehre kann solche Redundanz nicht verhindern, aber helfen, sie zu erkennen.

Aufgabe der Allgemeinen Rechtslehre ist es ferner, das juristische Denken auf die Anforderungen der Globalisierung einzustimmen, ohne gleich eine kosmopolitische Wende auszurufen[5]. Die Globalisierung stellt Selbstverständlichkeiten in Frage und fordert die Überprüfung alter Begrifflichkeiten. Gleichzeitig führt sie zu einem Überangebot neuer Theorien, die tatsächlich oft gar nicht so neu sind. Weiter gilt es, das Recht für die Anforderungen offen zu halten, die das Anthropozän mit Klimawandel, Gentechnik und künstlicher Intelligenz mit sich bringt.

Die Jurisprudenz steht unter Beobachtung und ist einem Interdisziplinaritätsimperativ ausgesetzt. Ihre Wissenschaftlichkeit entscheidet sich nicht zuletzt an dem Umgang mit dem von anderen Disziplinen beigebrachten Fragen und Wissen. Der Weg zur Rechtswissenschaft fordert deshalb viele Seitenblicke auf Nachbar- und Fremddisziplinen. Die Allgemeine Rechtslehre soll Juristen das Rüstzeug liefern, den Blick auf andere Disziplinen offen zu halten, ohne von der Welle der Interdisziplinarität fortgespült zu werden. Unsere Allgemeine Rechtslehre bietet keine »multidisziplinäre Rechtstheorie«[6], sondern ist und bleibt juristisch.

Interdisziplinarität fordert man in erster Linie für die operative Ebene des Rechts, das heißt, im Hinblick auf die Inhalte, mit denen das Recht in die Gesellschaft hineinwirkt. Insoweit helfen Fremddisziplinen, indem sie kritisch aufzeigen, wo das Recht auf soziale Probleme reagieren sollte oder gar selbst Probleme verursacht. Ferner bieten die Nachbardisziplinen Hilfe an, indem sie Mittel, Wirkungen und Nebenwirkungen rechtlicher Interventionen untersuchen. Hier öffnet sich das weite Feld der Rechtspolitik, zu weit, als dass auch nur der Versuch unternommen werden könnte, die Fremddisziplinen mit ihren Methoden und ihren Ergebnissen in die Jurisprudenz zu integrieren. Die Gretchenfrage der Interdisziplinarität sehen wir darin, ob die Jurisprudenz sich ihre Wertungen von den Nachbarwissenschaften vorgeben lassen soll. Die Frage wird uns an verschiedenen Stellen begegnen. Wir konzentrieren uns jedoch darauf, von anderen Disziplinen beigebrachte Aspekte aufzunehmen, die unmittelbar das juristische Denken betreffen, also die Ebene der Begriffs- und Urteilsbildung. Mit einer Metapher aus der Computerwelt: Wir bemühen uns, Interdisziplinarität in das Betriebssystem der Jurisprudenz einzubringen.

Von einer Allgemeinen Rechtslehre erwartet man Objektivität im Sinne normativer Enthaltsamkeit und Neutralität gegenüber erkenntnistheoretischen Positionen. Solche Objektivität muss Illusion bleiben (u. VII). Wir halten fest an dem Gegensatz von Sein und Sollen. Was von diesem Ausgangspunkt als »schwer überbrückbare[r] methodische[r] und erkenntnistheoretische[r] Bruch zwischen Rechtsdogmatik und juristischen Grundlagenfächern« diagnostiziert wird[7], soll die Allgemeine Rechtslehre durch die Rehabilitation des juristischen Werturteils überbrücken.

Die traditionelle »Allgemeine Rechtslehre« (u. III) wollte als Strukturtheorie die allgemeinen Eigenschaften von Rechtssystemen jenseits der kontingenten, von der jeweiligen partikularen Kultur abhängigen Inhalte des Rechts beschreiben. Allgemeine Rechtslehre, wie wir sie verstehen, bietet keine universelle Theorie des Rechts, sondern beschränkt sich auf das Recht der modernen Territorialstaaten und dessen Wandel im Prozess der Europäisierung und Globalisierung.

Wir schätzen Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie (nicht nur) wegen ihrer Innovtionskraft.[8] Unsere Allgemeine Rechtslehre erhebt dagegen selbst keinen Innovationsanspruch. Sie ist keine eigenständige Wissenschaftsdisziplin mit spezifischer Methode und besonderem Objektbereich. Es kommt uns nicht darauf an, eine eigene Theorie zu verbreiten. Wir haben keine, oder besser, wir wollen keine haben, sondern aus der Fülle des Stoffes das zusammentragen, was sich zu wissen lohnt, um juristisches Denken zu erleichtern und zu verbessern.

II.     Von der Rechtsphilosophie zur Rechtstheorie

Eine Allgemeine Rechtslehre gehört, jedenfalls unter diesem Namen, nicht zum Fächerkanon des juristischen Studiums. Im Mittelpunkt des Studiums stehen die dogmatischen Fächer, das Bürgerliche Recht, das Strafrecht und das Öffentliche Recht mit ihren zahlreichen Unterteilungen. Wenn diese Fächer gemeint sind, soll hier von Rechtswissenschaft i. e. S. oder von Jurisprudenz die Rede sein. Um diese Fächer herum, die letztlich die Beantwortung konkreter Rechtsfragen zum Ziel haben, liegt ein Kranz von Grundlagenfächern, die das geltende Recht aus einer gewissen Distanz behandeln: Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung, Rechtssoziologie und Rechts­philosophie.

Die Allgemeine Rechtslehre steht in der Nähe zur Rechtstheorie.[9] Diese wiederum wird in der Regel als eine Untermenge der Rechtsphilosophie angesehen.[10] Innerhalb der Rechtsphilosophie unterscheidet man die Rechtstheorie und die juristische Methodenlehre von der Rechtsphilosophie i. e. S. Der Schwerpunkt der letzteren liegt traditionell bei der Suche nach einem Natur- oder Vernunftrecht, kurz, bei der Frage nach der Gerechtigkeit des Rechts.

Auch von Rechtstheorie ist wiederum in einem weiteren und in einem engeren Sinne die Rede. Rechtstheorie i. e. S. ist analytische Rechtstheorie. Zur analytischen Rechtstheorie rechnet man in erster Linie jene Richtung, die in der Tradition des Utilitarismus von Jeremy Bentham (1748–1832) und John Austin (1790–1859) steht. Im 20. Jahrhundert ist sie maßgeblich durch die analytische Sprachphilosophie geprägt worden. Bis heute wird sie durch H. L. A. Hart (1907–1992) repräsentiert. Die Wiener rechtstheoretische Schule um Hans Kelsen (1881–1973) steht ihr an Bedeutung gleich.

Im Gefolge der angelsächsischen Sprachphilosophie ist die Rechtstheorie zu einer Theorie der Sprache geworden, in der die Rechtssätze formuliert werden. Sie beschreibt die in juristischem Zusammenhang verwendeten Sprachformen und prüft die verwendeten Sätze auf Unabhängigkeit von nicht deklarierten Voraussetzungen und auf die Konsistenz ihrer Aussagen. Gegenüber den juristischen Aussagen selbst verhält sie sich neutral, das heißt, sie stellt Verstöße gegen die Grundsätze der Unabhängigkeit und Konsistenz nur fest, macht aber keine Vorschläge, wie diese zu beheben sind.[11] Um den Inhalt der Rechtssätze als solchen kümmert sie sich schon gar nicht. Das bleibt Sache der Rechtsphilosophie, der Jurisprudenz oder der Rechtspolitik.

Die Abgrenzung der Rechtstheorie von den übrigen Grundlagenfächern ist unscharf geblieben.[12] Dem engeren Begriff der (analytischen) Rechtstheorie steht ein sehr weiter Begriff gegenüber, der alle Grundlagenfächer von der Rechtsphilosophie über die Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung bis hin zur Rechtssoziologie einschließt.[13] Im deutschen Sprachraum hat man sich in der Mitte zwischen einem engen und einem weiten Rechtstheoriebegriff eingerichtet. Es besteht immerhin Konsens, dass sich die Rechtstheorie auf die strukturellen und formellen Elemente des Rechts konzentriert.[14] Deshalb zählen zur Rechtstheorie in erster Linie Wissenschaftstheorie der Jurisprudenz, juristische Logik und Rechtsinformatik, Theorie der Rechtssprache und Theorie der Normen.

In den weiteren Begriff der Rechtstheorie, wie er in Deutschland üblich ist, wird die juristische Methodenlehre in ihrer ganzen Breite (Argumentations- und Diskurstheorie, Hermeneutik, Topik, Rhetorik) einbezogen. Auch Gesetzgebungstheorie und Systemtheorie werden gelegentlich zur Rechtstheorie gerechnet. Zur Rechtstheorie im weitesten Sinne gehören die Theorien über das Recht, nämlich Theorien, die die Entstehung des Rechts, seine Funktion für die Gesellschaft und den Umgang der Juristen mit dem Recht beschreiben. Theorien über das Recht werden von einem Außenstandpunkt formuliert, von Philosophen oder Soziologen, von Politik- oder Wirtschaftswissenschaftlern. Das geschieht meistens in kritischer Absicht.

Zur Rechtstheorie im weiten Sinne gehört auch die Ideengeschichte des Rechts[15]. Sie zeichnet das Selbstverständnis der Rechtswissenschaft und Praxis nach einschließlich der zugehörigen Theorien des Rechts und der bewussten Selbstreflexion der Jurisprudenz, die sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Rechtstheorie entwickelt hat.

Die Ideengeschichte des Rechts kann man mit der Verwissenschaftlichung des römischen Rechts in der Glossatorenschule (1100–1250) beginnen lassen kann. Es folgen, um nur die wichtigsten zu nennen, die Kommentatoren (Postglossatoren, 1250–1500), die humanistische und elegante Jurisprudenz, die Praktiker des 16. bis 18. Jahrhunderts, die Naturrechtsschule (Grotius, Pufendorf, Thomasius, Wolff), die von Savigny bestimmte historische Rechtsschule, Begriffsjurisprudenz, die Freirechtsschule (Hermann Kantorowicz, Ernst Fuchs)[16], Interessenjurisprudenz (Ihering, Heck) und die Wertungsjurisprudenz der Nachkriegszeit. Mehr oder weniger wird so jedes Zeitalter von einer philosophischen »Schule«, einer Theorie des Rechts oder einem spezifischen rechtstheoretischen Ansatz bestimmt. Der Umgang mit der Rechtsgeschichte ist freilich ein Problem für sich, denn jede Generation schreibt die Geschichte neu.

Die eine Epoche bestimmende »Schule« lässt sich oft erst im Nachhinein erkennen. So fällt es auch schwer, eine Theorie zu identifizieren, die Rechtswissenschaft und Praxis gegenwärtig dominiert und der Epoche ihren Namen geben könnte.[17] Viele orientieren sich immer noch entweder an Habermas oder an Luhmann. Eine bedeutende Fraktion, die sich betont von dem Rationalitätsanspruch der Jurisprudenz absetzt, ordnet sich selbst als »postmodern« oder »nachpositivistisch« ein.[18] Ökonomische und feministische Analyse des Rechts sind in der Jurisprudenz angekommen.

Als Moderne bezeichnet man die Zeit vom Beginn der Aufklärung bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Die nachfolgende historische Epoche wird von Soziologen wie Ulrich Beck und Anthony Giddens als Zweite Moderne genannt. Ihr Philosoph ist Jürgen Habermas. Manche sprechen insoweit allerdings auch von Postmoderne. Überwiegend bleibt dieser Begriff jedoch der wissenschaftstheoretischen Deutung dieser Epoche vorbehalten.

Als Philosophen der Postmoderne gelten vor allem Foucault und Deleuze, Derrida und Lyotard, als Vorläufer Friedrich Nietzsche. Inhaltlich ist ihnen die Absage an jede Art von Fundamentalphilosophie gemeinsam, an eine wissenschaftstheoretische Einstellung also, die entweder Vernunft oder Empirie als sicheren Ausgangspunkt der Erkenntnis betrachtet. Stattdessen baut postmoderne Philosophie auf den sog. Konstruktivismus. Bei der Beobachtung der Welt stößt postmoderne Rechtstheorie auf blinde Flecken, irritierende Paradoxien und Iterativität im Sinne transformierender Wiederholung. Bei der Beobachtung des Rechts findet sie den Verlust etatistischer Einheit, Pluralisierung des Rechts, Fragmentierung der Gesellschaft und konfligierende Binnenrationalitäten oder Eigenlogiken in den Fragmenten. Seit der Jahrtausendwende formiert sich gegen die Postmoderne der so genannte Neorealismus. Aber auch die jüngste Rechtstheorie kokettiert immer noch mit der Postmoderne (näher u. § 15f).

Etwa ab 1965 häuften sich, ausgelöst durch Veränderungen des politischen Bewusstseins, neue »Rechtstheorien«. In den USA wurden die Critical Legal Studies zum Auffangbecken postmarxistischer Rechtstheorie. Ihr Credo lautete: Das Recht bleibt trotz aller Texte unbestimmt. Es bezieht seinen Inhalt erst aus dem politischen Vorverständnis der Beteiligten. Auch feministische Rechtstheorie und Ökonomische Analyse des Rechts nahmen in den USA ihren Ausgang. Eine neue Welle von Theorien ist durch die Globalisierung der Welt und des Rechts ausgelöst worden. Zuletzt wurde die Diskussion durch weltweite Krisenphänomene bestimmt.

Gegenwartsdiagnosen der Sozialwissenschaften beschwören das Anthropozän. Wir sehen uns im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI), ohne daraus bisher handfeste Konsequenzen für die Rechstheorie ziehen zu können.

III.  Die Tradition der Allgemeinen Rechtslehre

Die Idee einer Allgemeinen Rechtslehre hat in der deutschen Rechtswissenschaft Tradition[19]. Ein wichtiger Impuls für ihre Entstehung lag in dem Wunsch nach der Begründung von Einheit, Autonomie und Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft.[20]

Einen Anfang machte 1874 Adolf Merkel mit einem Aufsatz »Über das Verhältnis der Rechtsphilosophie zur ›positiven‹ Rechtswissenschaft und zum allgemeinen Teil derselben«.[21] Für Franz v. Holtzendorffs »Encyclopädie der Rechtswissenschaft« (5. Aufl. 1890) verfasste er später »Elemente einer allgemeinen Rechtslehre«. Ihm folgte 1892 Karl Bergbohm mit »Jurisprudenz und Rechtsphilosophie«. Er formulierte einen strikten Rechtspositivismus, indem er eine Allgemeine Rechslehre mit Naturrecht jeglicher Art für unvereinbar erklärte. In der Sache war vor allem Ernst Rudolf Bierlings von 1894 bis 1917 in fünf Bänden erschienene »Juristische Prinzipienlehre« eine Allgemeine Rechtslehre. Eine »Allgemeine Rechtslehre« erschien 1904 von Theodor Sternberg. 1917 veröffentlichte Felix Somló eine »Juristische Grundlehre« (die 2. Aufl. von 1927 ist ein unveränderter Nachdruck). Somló unterschied zwischen Grundlehren der Rechtswissenschaft und einer allgemeinen Rechtslehre. Letztere sollte vom Inhalt der Rechtssätze abstrahieren und sozusagen den Allgemeinen Teil der Allgemeinen Teile bilden. Die Grundlehren dagegen sollten das Recht allein als Form ohne Rücksicht auf irgendwelche Inhalte betrachten. Die Tradition der Allgemeinen Rechtslehre ist mit der zuletzt 1948 in 2. Aufl. erschienenen »Allgemeinen Rechtslehre« von Hans Nawiasky abgerissen. Der kurze Versuch von Rupert Schreiber[22] blieb unbeachtet.

In England und in den USA findet man eine allgemeine Rechtslehre unter der Überschrift General Jurisprudence.[23]

Twining (S. 63) weist darauf hin, dass bereits Austin auf der Suche nach Begriffen und Unterscheidungen war, die entweder notwendig oder doch regelmäßig in moderneren Rechtssystemen anzutreffen sind. Nach Twining geht es um eine Metasprache, die Begriffe zur Verfügung stellt, welche nicht an bestimmte Rechtskulturen gebunden sind. Einen Katalog dieser Begriffe gibt er nicht. Die Globalisierung hat im anglo-amerikanischen Bereich neues Interesse an einer »General Jurisprudence« geweckt (Twining und Tamanaha). Julie Dickson verwendet die Begriffe legal philosophy, legal theory und jurisprudence als Synonyme[24].

Twining schreibt der erneuerten General Theory of Law folgende Aufgaben zu:

  • Mapping function: Aus der Distanz kann die Rechtstheorie das Gesamtgebiet des Rechts übersehen und aufzeigen, wie seine Teile einander zugeordnet sind.
  • Conceptual function: Rechtstheorie kann die begrifflichen Konzepte der Jurisprudenz klären und neue entwickeln.
  • Simplifying function: Durch die Entwicklung von begrifflichen Konzepten, Prinzipien und Taxonomien kann die Rechtstheorie vereinfachen und Wiederholungen ersparen.
  • Cross-disciplinary function: Die Rechtstheorie kann das Recht für eine interdisziplinäre Behandlung aufbereiten.
  • Critical function: Die wichtigste Aufgabe der Rechtstheorie findet Twining darin, dass sie die dem Recht zugrunde liegenden Prinzipien und Selbstverständlichkeiten herausstellt, bewertet und, wo erforderlich, kritisiert.

Tradition hat eine Allgemeine Rechtslehre auch in Skandinavien.[25] 1976 ist die aus dem Schwedischen übersetzte »Allgemeine Rechtslehre« von Stig Strömholm erschienen. Sie kommt nach Zielsetzung und Methode unseren Vorstellungen nahe. Der Unterschied liegt vor allem in der Weite, in der in Schweden der Gegenstandsbereich der Allgemeinen Rechtslehre verstanden wird. Er scheint dort alle Grundlagenfächer von der Rechtsphilosophie über Rechtssoziologie, Kriminologie und Rechtsgeschichte bis hin zur Rechtsvergleichung einzuschließen. In Italien pflegt man eine Teoria generale del diritto.[26] Als Allgemeine Rechtslehre aus Spanien kann man die »Neue Einführung in das Studium des Rechts« von Álvaro d’Ors (1915–2004) lesen.[27]

IV.   Allgemeine Rechtslehre als Strukturtheorie

Die traditionelle Allgemeine Rechtslehre war im Kern eine Strukturtheorie. Als solche war sie komparativ angelegt. Man suchte nach Formen, Institutionen und Begriffen, die mehr oder weniger in allen Rechtsgebieten und auch über die Grenzen des nationalen Rechts hinaus Bedeutung haben. So bestimmte Nawiasky die Aufgabe der Allgemeinen Rechtslehre dahin, das einer Mehrzahl konkreter Rechtsordnungen Gemeinsame herauszuarbeiten.[28] Auf dieser Linie liegt auch die (analytische) Rechtstheorie Kelsens. Die »Reine Rechtslehre« beginnt mit den Sätzen:

»Die Reine Rechtslehre ist eine Theorie des positiven Rechts; des positiven Rechts schlechthin, nicht einer speziellen Rechtsordnung. Sie ist allgemeine Rechtslehre, nicht Interpretation besonderer nationaler oder internationaler Rechtsnormen.«

Kelsen verwendet diese Bezeichnung aber nicht als terminus technicus, sondern er wollte damit nur deutlich machen, dass die gesuchte Theorie keiner bestimmten Rechtsordnung verpflichtet ist. In diesem Sinne, wenn auch auf anderer philosophischer Grundlage, sprachen Adolf Reinach[29] und Gustav Radbruch[30] von »apriorischen Rechtsbegriffen«. Man ging also davon aus, dass sich Recht als Gegenstand ausmachen lässt, der zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gesellschaften anzutreffen ist und gemeinsame charakteristische Eigenschaften aufweist.

An dieser Voraussetzung, so meinen postmoderne Kritiker, müsse das Vorhaben einer Allgemeinen Rechtslehre scheitern, denn entweder bleibe der Rechtsbegriff so abstrakt, dass sich darüber keine relevanten inhaltlichen Aussagen mehr machen ließen, oder er werde »imperialistisch« in dem Sinne, dass er die Fülle der Phänomene, die als Recht in Anspruch genommen werden, in sein Schema presse und damit vergewaltige. Diese Kritik bestreitet die Möglichkeit großer allgemeiner Theorien und favorisiert stattdessen das Partikulare und Lokale. Auf diese Kritik werden wir unter der Überschrift »Legal Pluralism« eingehen.

Die Hoffnung auf eine Strukturtheorie des Rechts, mit der sich praktisch etwas anfangen lässt, steht seit über 100 Jahren im Raum. Unabhängig von allen postmodernen Bedenken gegen einen »universalistischen Rechtsimperialismus« lässt sie sich anscheinend nur schwer ausfüllen. Schlägt man die traditionellen Darstellungen auf, so fällt eine große Übereinstimmung der »Schlüsselbegriffe« (u. § 7 VIII xxx) auf, die als Gliederungspunkte dienen. Die Mehrzahl hat sich über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gehalten, und auch wir können nicht auf sie verzichten. Doch von ihrem sachlichen Gehalt her erweisen sie sich nicht als stabil. Nur indirekt sind sie hilfreich, weil sie in ihrer Allgemeinheit und Unbestimmtheit immer wieder als Anknüpfungspunkte für Grundsatzdebatten dienen. Das gilt insbesondere für den Rechtsbegriff selbst und für die Begriffe der Rechtsgeltung und des subjektiven Rechts. Über Kelsen ist die Strukturtheorie des Rechts nicht hinausgekommen.

Allgemeine Rechtslehre, wie wir sie verstehen, bietet daher keine universelle Theorie des Rechts, sondern beschränkt sich auf das Recht der modernen Territorialstaaten und dessen Wandel im Prozess der Europäisierung und Globalisierung. Sie stellt sich dabei auf den Standpunkt des offiziellen Rechts. Wir suchen nicht nach apriorischen oder universalen Rechtsbegriffen, sondern konzentrieren uns auf fächerübergreifende Strukturen. Zu den wichtigsten gehören das subjektive Recht, die Rechtspersönlichkeit, Handlung und Unterlassung, Rechtsgut, Kausalität, Rechtswidrigkeit, Zurechnung und Verschulden, Vertrag und Delikt, Gefahr und Schaden, Restitution und Prävention, Kompetenz und Ermessen sowie einige Grundbegriffe des Verfahrens- und Prozessrechts. Wünschenswert und zugleich besonders problematisch ist aber auch ein letzter Zurechnungspunkt für alles Recht. Bei Austin und Bentham war es der Souverän, bei Kelsen der Staat. Die neuere Rechtstheorie ersetzt den Fixpunkt durch ein sich selbst stabilisierendes System von Rückkopplungen. Wir folgen grundsätzlich Kelsen, sehen aber Deutschland und 26 andere Staaten eingebunden in die Europäische Union.

V.      Allgemeine Rechtslehre als integrierende Rechtstheorie

Wenn von Rechtstheorie die Rede ist, bleibt meistens offen, ob eine Theorie über das Recht und damit eine Beobachtertheorie oder eine Theorie für das Recht und damit eine Teilnehmertheorie gemeint ist (zu dieser Unterscheidung u. § 29 II xxx). Unsere Rechtstheorie ist eine Teilnehmertheorie. Aus diesem Grunde greifen wir auf den Begriff »Allgemeine Rechtslehre« zurück.[31] Das zugrunde liegende Konzept könnte man als eine Konvergenztheorie charakterisieren. Es führt uns zu einer quasipositivistischen Rechtslehre.

Unsere Allgemeine Rechtslehre kann den spezifischen Anspruch Kelsens an die Rechtstheorie nicht einlösen. Kelsen war wie kein anderer auf Methodenreinheit bedacht. Er wies empirische Aussagen zurück, wie sie Psychologie und Soziologie hervorbringen, und ebenso die Werturteile von Ethik, Politik und Jurisprudenz. Was dann noch übrig bleibt, ist zu wenig. Wenn mehr herauskommen soll als sehr ab­strakte Begriffsbildungen und Ableitungen, kann man sich nicht auf Analyse beschränken. Allgemeine Rechtslehre darf ebenso wenig Rechtsformenlehre bleiben, sondern muss auch Rechtsinhaltslehre sein.[32] Sie muss deshalb auf eine bunte Mischung von vorwiegend empirisch bewährten Einteilungen und Erklärungen zurückgreifen, die nicht alle den Status einer wissenschaftlichen Theorie beanspruchen, sondern oft nur den einer praktisch nützlichen Lehre oder Kunde. Es geht darum, Juristen mit einem Gerüst von Grundbegriffen zu versorgen, das sie davor bewahrt, in der Flut des positiven Rechts zu versinken. Es gilt ferner, aus den Nachbarwissenschaften zusammenzutragen, was für die »Selbstreflexion der Rechtswissenschaft«[33] hilfreich ist. Unsere Allgemeine Rechtslehre bildet somit eine eklektische Mischung von Gedanken aus der Rechtsdogmatik und den klassischen juristischen Grundlagenfächern mit Fundstücken aus verschiedenen Fremddisziplinen, abgestellt auf die Bedürfnisse des Umgangs mit dem geltenden Recht. [34] Insofern kann man sie als integrativ[35] oder besser als integrierend kennzeichnen. Dagegen möchten wir sie nicht pluralistisch nennen. Die Integration aller Fundstücke bleibt einem Ziel untergordnet, dem Ziel eines aufgeklärten Umgangs mit dem positiven Recht.[36]

Kelsen hat die Vermischung der unterschiedlichen Methoden von Rechtstheorie, Rechtssoziologie und Jurisprudenz abfällig Methodensynkretismus genannt. [37] Ein solcher Methodenmix ist jedoch nur gefährlich, wenn er unbemerkt unterläuft. Wir bemühen uns daher, eine Vermengung der Problemstellungen, einen »Synkretismus der Methoden normativer Jurisprudenz und explikativer Rechtssoziologie«[38] oder Rechtstheorie zu vermeiden. Die Kombination verschiedener Methoden macht es allerdings notwendig, mit einer wissenschaftstheoretischen Einleitung zu beginnen. Sie muss, ausgehend von sprachphilosophischen Formulierungen, den Unterschied von normativen und deskriptiven Sätzen und damit das Werturteilsproblem umreißen, um Missverständnisse und Erschleichungen möglichst auszuschalten.

Viele wichtige Bausteine bezieht die Allgemeine Rechtslehre aus der analytischen Rechtstheorie. Grundbegriffe der Rechtswissenschaft wie Handlung und Norm, Institution und System, Interessen und Werte, sind auch zentrale Begriffe der Rechtssoziologie. Daher liegt es nahe, die gleichlautenden Begriffe durch vergleichende Betrachtung zu schärfen.

Die Allgemeine Rechtslehre ist, wie gesagt, auf einen rechtsinternen Standpunkt festgelegt, d.h. sie betrachtet das Recht vom Standpunkt der Juristen, die Rechtsfragen zu beantworten haben, genauer, aus der Perspektive der Gerichte, denn die Gerichte stehen im Mittelpunkt des Rechts und deshalb ist ihre Perspektive diejenige des Rechts. In den letzten Jahrzehnten ist vielfach kritisiert worden, dass die juristische Ausbildung sich zu sehr auf die Richterperspektive konzentriere und nicht auf die juristischen Berufe vorbereite, die die große Mehrheit der Studenten ergreifen werde. Diese Kritik beruht auf einem Missverständnis. Kein juristischer Beruf, ganz gleich, ob Anwalt, Verwaltungsbeamter oder Wirtschaftsjurist, kommt ohne die Richterperspektive aus. Die Richterperspektive ist insbesondere auch die Perspektive der Rechtsdogmatik. Zutreffend ist allerdings, dass für die Berufsfähigkeit weitere Kenntnisse und Fähigkeiten hinzutreten müssen.

Die externe Betrachtungsweise behandelt Funktionen des Rechts oder einzelner seiner Institutionen in einer Art und Weise, die sich nicht ohne weiteres in Rechtsnormen oder gar Tatbestandsmerkmale übersetzen lässt und deshalb in der juristischen Arbeit anscheinend ignoriert werden muss. Von einem externen Standpunkt kommt etwa die feministische Rechtskritik, wenn sie geltend macht, das Recht der modernen Gesellschaft sei durchgehend patriarchalisch; seine »Männlichkeit« zeige sich in einer Jurisprudenz, die Formalität und Rationalität anderen Werten vorziehe, die mit der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht die männliche Dominanz in der Familie bewahre; sie zeige sich in der Überzahl männlicher Richter und Parlamentarier; in einer Streitkultur, die Entscheidung und Trennung über Sorge und Verbindung stelle, usw. Einen externen Standpunkt nimmt auch der Verteidiger ein, der geltend macht, sein Mandant könne nicht bestraft werden, weil das Schuldprinzip hinfällig sei; die Neurowissenschaften hätten längst klargestellt, dass der Mensch keinen freien Willen habe.

Es gibt jedoch über die Zeit einen fließenden Übergang von außen nach innen. Neue Theorien des Rechts werden oft von außen an das Recht herangetragen, bis sie am Ende mehr oder weniger in die Rechtstheorie integriert sind.[39] Der interne Standpunkt ist nicht so hermetisch geschlossen, wie die abstrakte Gegenüberstellung glauben macht.

Kritik des Rechts ist nicht das Ziel der Allgemeinen Rechtslehre. Das bedeutet nicht, dass Allgemeine Rechtslehre unkritisch sein müsste. Im Gegenteil; sie zeigt sie die Grenzen juristischer Rationalität. Sie verzichtet nur darauf, die Rationalitätslücken durch eine eigene Philosophie auszufüllen. Es schreckt uns nicht, dass Radbruch die Allgemeine Rechtslehre einmal als »Euthanasie der Rechtsphilosophie« beschimpft hat.[40] Allgemeine Rechtslehre soll die Rechtsphilosophie nicht verdrängen, sondern ihr den Weg frei machen. Sie geht davon aus, dass Recht stets auf einer normativen Basis ruht, und ermutigt zu Werturteilen.

Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung sind für die Allgemeine Rechtgslehre kein Selbstzweck, sondern dienen als Steinbruch. Wer eine glänzendere Verpackung sucht, mag hier an die berühmte »Werkzeugkiste« Foucaults[41] denken.

Wenn wir Literatur aus anderen Ländern zitieren, so darf daraus nicht der Eindruck entstehen, dass wir uns insoweit an einem transnationalen Diskurs beteiligten. Einen solchen Diskurs gibt es nicht wirklich. Das liegt allein schon an den sprachlichen Hürden. Die deutschsprachige juristische und rechtstheoretische Literatur wird im Ausland wenig rezipiert, in Japan und in den romanistischen Ländern eher noch als in den englischsprachigen. Umgekehrt lesen wir hauptsächlich englischsprachige Literatur und mühsamer auch noch französische und italienische Titel.

Einerseits sind wir Juristen stolz auf unsere Begriffe. Andererseits sind die Begriffe, die wir verwenden, oft eher unklar oder gar verwirrend. Wo klare Begriffe fehlen, dient die Geschichte der Begriffe und Ideen als Ersatz. Damit kommt ein pädagogischer Gesichtspunkt ins Spiel. Da die Klassiker kaum mehr zur Hand genommen werden, bleibt keine Wahl, als sie ausführlich zu zitieren. Man mag das Ergebnis Halbbildung nennen. Aber nur noch Professoren können sich den Luxus des Quellenstudiums leisten. Sie sind dafür verantwortlich, dass oft an Stelle der Sache mehr oder weniger berühmte Namen genannt werden. Sie sagen Savigny oder Ihering und erwarten, dass jeder sofort im Bilde ist.

Wir schätzen und ehren die Klassiker. Aber in der Allgemeinen Rechtslehre dienen auch sie uns nur als Steinbruch, nicht jedoch als eigenständiger Gegenstand der Forschung. Wir bewundern die Editoren von Werkausgaben.[42] Für die Allgemeine Rechtslehre kommt es indessen kaum darauf an, was Kant oder Kelsen nun wirklich gemeint haben, sondern wie sie verstanden worden sind und gewirkt haben.

VI.   Theorien hinter der Theorie

Eine Allgemeine Rechtslehre löst keine Sachprobleme. Aber sie zeigt, welche Hürden es bei der Lösung von Sachproblemen zu überwinden gilt. Eine hohe Hürde bleibt oft unsichtbar. Schon vor Beginn einer sachlichen Auseinandersetzung sind vielfach Argumentationslasten verteilt. Noch in die Fassung der allgemeinsten Rechtsbegriffe fließen Gewichtungen ein, die den Gang der Argumentation bei der Behandlung konkreter Sachprobleme bestimmen. Neutrale Begriffe gibt es nicht, denn Begriffe werden gebildet, um Unterschiede hervorzuheben, die man für wichtig oder relevant hält. Andererseits können wir nicht auf Begriffe verzichten, denn ohne sie könnten wir nicht formulieren und gar nicht erst in eine Argumentation eintreten.

Begriffsbildung wird durch Hintergrundtheorien gesteuert. Die vielleicht allgemeinste Orientierung dieser Art richtet sich an einem freundlichen oder unfreundlichen, positiven oder negativen, optimistischen oder pessimistischen, humanistischen oder tragischen Menschenbild aus. Für die einen sind die Menschen grundsätzlich gesellig, friedliebend und kooperativ, und es kommt darauf an, diese Eigenschaften zu pflegen und zu schützen. Für die anderen ist das Böse in der Welt; die Menschen sind ungesellig, und das gilt es zu bekämpfen. »Das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an.« (1. Mose 8, 21) Auch ausgearbeitete theologische oder philosophische Systeme haben mehr oder weniger deutlich einen solchen Ausgangspunkt. Für Martin Luther war es der sündige Mensch, der nur durch göttliche Gnade befreit werden kann, für Immanuel Kant gehört ein radikales Böses zur menschlichen Natur und muss durch Ethik und Recht eingefangen werden. Dagegen führt von Sokrates über Aristoteles, Thomas von Aquin und Erasmus von Rotterdam eine Linie von »Humanisten« bis in die Gegenwart zu Sozialphilosophen wie Habermas und Rorty, Foot und Nussbaum, Giddens und Beck, die den Menschen für fähig halten, zwischen Gut und Böse zu wählen und danach zu handeln und sich dementsprechend eine weltweite, auf Deliberation und Konsens gebaute Demokratie vorstellen können.

Auch das Geschichtsbild ist gespalten. Für die einen, auch wenn sie noch so sehr beteuern, dass sie nicht fortschrittsgläubig seien, bewegt sich die Welt doch in Richtung auf eine ständige Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen, und alle sind dazu aufgerufen, an dieser Entwicklung mitzuwirken. Walter Benjamin hat dieses Geschichtsverständnis sozialdemokratisch genannt.[43] Seine Gegenvorstellung zeichnet Geschichte als großes Trümmerfeld und die Welt im permanenten Ausnahmezustand, in dem allenfalls die Hoffnung auf Erlösung bleibt.

Die geläufigen Sozialtheorien unterscheiden sich zunächst darin, ob sie den Einzelnen Menschen oder die Gesellschaft zum Ausgangspunkt nehmen, ob sie das Recht von einem individualistischen oder von einem kollektivistischen Standpunkt her denken. Was ist primär, Individuum oder Gesellschaft? Das ist eines der vielen Henne-Ei-Probleme. Die Philosophie hatte sich zunächst auf das Individuum verständigt, denn Philosophen sind denkende Individuen. Die Soziologie dagegen gibt der Gesellschaft den Vorrang. Der Individualismus ist eher in der christlich-abendländischen Tradition verankert und findet seine politische Heimat im Liberalismus. Die Gegenposition verbindet man mit Sozialismus, Republikanismus oder Kommunitarismus. Aber auch für den Islam bilden die Kollektive der Gemeinde und des Familienverbandes die zentralen Bezugspunkte aller Normen.

Liberalismus gibt es in vielen Ausprägungen, als negativen Freiheitsliberalismus oder als aggressiven Rechte-Liberalismus. Liberalismus geht regelmäßig mit Individualismus einher. Der Kollektivismus kommt nicht weniger bunt daher. Es gibt keine ernst zu nehmende Gegenposition, die nicht Grundelemente des Liberalismus übernommen hätte. Die liberale Grundeinstellung zeigt sich etwa, wenn man im Zivilrecht immer noch und immer wieder die autonome Willenserklärung als den wichtigsten Entstehungsgrund für Verpflichtungen ansieht, so dass alle sozial oder am Gemeinwohl orientierten Gesetze wie § 138 BGB oder Verbraucherschutzbestimmungen als Ausnahmen erscheinen, oder wenn man im Strafrecht am Prinzip der individuellen Schuld als unerlässlicher Voraussetzung jeder Kriminalstrafe festhält. Wer kollektivistischen Vorstellungen zuneigt, ist dagegen leichter bereit, Klagerechte für Minderheiten oder Organisationen der Zivilgesellschaft zu akzeptieren und im Strafrecht auf Prävention zu setzen. Mit dem Liberalismus assoziiert man gewöhnlich »Fortschrittlichkeit«, mit dem Kollektivismus eine konservative Einstellung. Individualisten neigen eher dazu, überkommene Verteilungen als unberechtigt anzusehen, während »Kollektivisten« tradierten Werten und Institutionen mit einer mehr oder weniger starken Vermutung der Vernünftigkeit begegnen. Doch die Dialektik von Freiheit und Gleichheit kann dazu führen, dass sich die Akzente verkehren. So wird der Liberalismus konservativ, wenn er die Verteilungsergebnisse des Marktes verteidigt, und »Republikaner«, die als eher konservativ gelten, werden »fortschrittlich«, wenn sie zur Beförderung der Gleichheit, etwa durch Diskriminierungsverbote oder gar durch positive Diskriminierung, die Freiheit einschränken und subjektive Rechte in Frage stellen[44].

Quer dazu liegt die Alternative Ordnung oder Konflikt. Die erste vertraut darauf, dass Vernunft, Demokratie und Menschenrechte eine Welt ohne Feinde möglich machen. Seit den Anfängen rechtsphilosophischer Reflexion bei Heraklit wird Recht mit Streit zusammen gedacht: »Der Kampf ist der Vater und König aller Dinge … und Recht ist Streit«. Die Konfliktalternative besteht darauf, dass das Bild einer konfliktfreien Gesellschaft eine gefährliche Utopie darstellt, und ist überzeugt, dass die Hoffnung auf einen universalen Konsens die Demokratie auf einen falschen Weg führt.[45] Es ist ebenso eine individualistische wie eine kollektivistische Konflikttheorie denkbar. Als Beispiel für die letztere mag die marxistische Klassentheorie dienen. Eine individualistische Ausprägung liegt dagegen der von Ihering und Heck begründeten Interessenjurisprudenz zugrunde.

Nach dem Sieg des westlichen Demokratiemodells über den Kommunismus wurde schon[46] das Ende der Geschichte angekündigt. Es machte sich Optimismus breit, dass eine deliberative Demokratie und ihre Institutionen mit Hilfe des Marktes und einer sich formierenden Zivilgesellschaft die Probleme dieser Welt letztlich konsensual lösen könnten. Inzwischen haben religiöser Fundamentalismus und ethnische Konflikte, globaler Terrorismus, die hartnäckige Perseveranz von Reichtum und Armut und nicht zuletzt der hoffnungslose Kampf gegen den Klimawandel Zweifel aufkommen lassen. In seiner Tübinger Antrittsvorlesung »Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen« hatte der Liberale Ralf Dahrendorf gewarnt, dass eine »Lösung« von Konflikten und erst recht eine konfliktfreie Gesellschaft weder möglich noch auch nur wünschbar sei:

»Es ist eine der Grundfiguren jeder utopischen Konstruktion, daß sich Bedingungen schaffen lassen, unter denen Konflikte gewissermaßen überflüssig werden, und die daher jene Harmonie begründen, die der Sozialstruktur von Utopia Bestand verleiht. In Wirklichkeit gibt es diese Bedingungen nicht. In Wirklichkeit geschieht es daher mit der schrecklichen Dialektik des Nicht-Rationalen, daß die Utopie die Unterdrückung zuerst fordert und alsdann verherrlicht.«[47]

Feminismus und postkoloniale Theorien betrachten Wissenschaft als Wissensproduktion, die in Herrschaftsverhältnisse eingebettet ist. Sie werde von europäischen und amerikanischen Universitäten dominiert. Ohne Bezug auf Maskulinismus, Kolonialismus und Rassismus, ohne Berücksichtigung lokaler Kontexte neigten sie dazu, den eurozentristischen Charakter ihrer Grundannahmen über Staat und Recht zu verkennen und aus einer privilegierten Position heraus einen Universalismus der Rechte zu propagieren.[48]

Die dominanten Weltbilder oder Hintergrundtheorien der Gesellschaft, die auch in das Recht hineinwirken, unterliegen – wie könnte es anders sein – einem historischen Wandel. Einen epochalen Wandel brachte insoweit die Postmoderne. Auch die Naturwissenschaften kennen Weltbilder oder Hintergrundtheorien. Der Wissenschaftshistoriker Thomas Kuhn hat dafür in seinem Buch über »Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen« (1962) den Begriff des Paradigmas benutzt, der inzwischen weit über seinen ursprünglichen Anwendungsbereich hinaus Verwendung findet.

In der Sprache der Kulturwissenschaften heißen Hintergrundtheorien kulturelle Codes. Zu jeder Kultur gehört ein eigener cultural code, der als eine Art Grammatik die Dinge zusammenhält und eine Weltsicht vermittelt. Zum Code wird alles, was als selbstverständlich, natürlich und unvermeidlich erscheint, wiewohl es doch kontingent ist. Logozentrismus, Objektivismus, Phallozentrismus, heterosexuelle Matrix, Ethnozentrismus, Eurozentrismus, (methodologischer) Etatismus und Nationalismus und die diversen binären Codes der sozialen Systeme – wir sind von Codes umzingelt.

Die Hintergrundtheorien, um die es hier geht, laufen oft nur als implizite Deutungen der Gesellschaft mit. Aber auch ausgearbeitete Sozialtheorien entfalten ihre Wirkung als konservativ oder liberal, harmoniebetont oder konfliktfreudig oft in undifferenzierten Vulgärversionen durch die Formierung entsprechender Mentalitäten.

Solange die Theorien nicht ausformuliert werden und im Hintergrund bleiben, fallen sie unter die Begriff des Vorverständnisses (u. § 19 III) oder der Perspektivität (u. § 11 V) und geben Anlass zur Ideologiekritik.

Ein Beispiel gibt die Untersuchung von Otto Kahn-Freund über »Das Sozialmodell des Reichsarbeitsgerichts« (1931). Oder es wird daraus, wie in der Arbeit von Franz Wieacker über »Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft« (1974), eine juristische Grundlagentheorie. Habermas behandelt solche Theorien als »Paradigmen des Rechts« und erörtert das liberale, das sozialstaatliche und sein eigenes »prozedurales Rechtsparadigma« (Faktizität und Geltung, 1992, 468). Ideologiekritisch setzte Rudolf Wiethölter an, indem er zwischen der heimlichen gesamtgesellschaftlichen Systemtheorie der Ordoliberalen und seiner eigenen »politischen Rechtstheorie« unterschied (Privatrecht als Gesellschaftstheorie, FS Ludwig Raiser, 1974, 645).

Man kann die Sachprobleme von verschiedenen Ausgangspositionen her angemessen formulieren. Verschiedene Sichtweisen sind möglich oder sogar notwendig. Es will aber nicht immer gelingen, sie in abstrakt gefassten Begriffen gleichmäßig zu berücksichtigen. Wichtige Grundbegriffe sind deshalb in der einen oder anderen Richtung belastet. Der Effekt wird dadurch erzeugt, dass mit der Bildung allgemeiner Begriffe Regel-Ausnahme-Verhältnisse hergestellt werden. Wer eine Ausnahme von der Regel geltend macht, muss sein Verlangen begründen. So werden mit sehr allgemeinen und scheinbar neutralen Begriffen Argumentationslasten verteilt.

VII.          Die Allgemeine Rechtslehre als normative Theorie?

Wir üben nicht die »philosophische Enthaltsamkeit hinsichtlich der zugrundeliegenden normativen und erkenntnistheoretischen Prämissen«, die Auer[49] für ein Merkmal der Allgemeinen Rechtslehre hält. Eine schlechthin wertfreie Wissenschaft gibt es nicht (u. Kapitel 3, § 23 u. § 25). Das Konzept der moralischen Neutralität von Recht und Staat ist seinerseits ein moralisches Konzept, indem es die Wahl der Lebensführung der individuellen Selbstbestimmung überlässt.

Wir haben uns für eine individualistische Position entschieden, nach der politische und rechtliche Entscheidungen nur durch einen letzten Bezug auf die betroffenen einzelnen Menschen gerechtfertigt werden (normativer Individualismus[50]). Wir meinen, dass diese Position dem Geist und Inhalt des positiven Rechts immer noch am besten entspricht. Auch erscheinen uns nach den Erfahrungen mit NS-Vergangenheit und Kommunismus die Gegenpositionen für Missbrauch anfälliger; ihnen sollte deshalb die Argumentationslast zugeschoben werden. Wer dagegen heute die Armut in weiten Teilen der Welt oder die ökologische Situation der Erde als die zentralen Sachprobleme ansieht, wird eher einer antiindividualistischen Sichtweise zuneigen.

Das Recht besteht seine Bewährungsprobe immer noch und immer wieder in der Domestizierung unvermeidlicher Konflikte. In unserer Darstellung kommt die individualistische Perspektive dadurch zum Tragen, dass wir kein objektives Recht ohne subjektive Rechte akzeptieren. Für seine Rechte muss man kämpfen. Deshalb bedeutet die Betonung der subjektiven Rechte zugleich die Übernahme der Konfliktperspektive.

Jenseits dieser Hintergrundtheorien versteht sich unsere Allgemeine Rechtslehre als eine Kombination von Analyse und Empirie und bemüht sich um Enthaltsamkeit hinsichtlich normativer Konsequenzen. Sie tritt insbesondere nicht mit dem Anspruch auf, der Rechtsdogmatik Vorgaben zu machen. Tatsächlich können aber die »Bausteine«, die wir als wertfrei zu erarbeiten versuchen, durchaus normative Wirkung entfalten. So entwickeln wir z. B. in § XXX eine Theorie der Rechtsgeltung. Dabei handelt es sich um ein abstraktes Modell, das den gedanklichen Gehalt und die Praxis des positiven Rechts zu repräsentiert. Solche Modellbildung regt dann aber unvermeidlich dazu an, aktuelle Zweifelsfragen modellkonform zu beantworten.

VIII.       Ockhams Razor

Als Ockhams Razor bezeichnet man den Grundsatz, wissenschaftliche Theorie so sparsam und einfach wie möglich zu halten. Der Grundsatz knüpft an eine Formulierung des Wilhelm von Ockham (1285-1349): Numquam ponenda est pluralitas sine necessitate.

Anstelle einer Übersetzung zitieren wir die sogenannten Grice’schen Konversationsmaximen[51] der Quantität und der Relevanz:

»Sag nur so viel wie nötig und sag nichts, was nicht nötig ist. … Sag nur, was relevant ist.«

Alle reden von der Wissensgesellschaft. Die Menge der verfügbaren Informationen hat sich ins Unermessliche vermehrt. Auch für Juristen besteht ein großes Problem darin, aus der Fülle der Informationen die relevanten herauszufinden und einzuordnen. Dabei hilft eine gute Theorie. Allerdings muss die Theorie selbst auf Einfachheit bedacht sein. Eine Theorie, die die ganze Komplexität der Welt abbilden wollte, wäre unbrauchbar wie eine Landkarte im Maßstab 1:1. Einwände gibt es immer, und es ist bequem, Einwänden durch eine neue Volte der Theorie Rechnung zu tragen. Die brauchbare Vereinfachung ist eine Kunst.

Die akademische Rechtstheorie hat in Regionen der Abstraktion und Praxisferne abgehoben, in denen sie für Studenten schwer zu vermitteln ist und von der Praxis nicht mehr zur Kenntnis genommen wird. Aber nicht alles, was in aufwendiger Verpackung daherkommt, ist neu und wichtig. Die Rechtstheorie umkreist immer wieder die gleichen Fragen und findet selten zu neuen Antworten. In der Regel geht es darum, auf alte Probleme mit neuen Sprachspielen zu antworten, die dem Zeitgeist Rechnung tragen. Habermas rekonstruiert und Derrida dekonstruiert. Niklas Luhmann sucht den blinden Fleck im Auge des Beobachters und reduziert Komplexität. Rorty »ironisiert«. Wiethölter, Teubner und ihre Schüler jagen nach Paradoxien, um sie gekonnt zu entfalten. Wieder andere verkünden das Ende der »großen Erzählungen« von Wahrheit und Gerechtigkeit, Gott oder Vernunft, Identität und Bedeutung. So sehr man sich an den immer neuen Sprachspielen freuen darf, so wenig sollte man sich dadurch verwirren lassen. Die Übersetzung in die gehobene Alltagssprache des Normaljuristen führt meistens zur Ernüchterung.
Doch damit sind die Probleme nicht gelöst. Was immer wir anpacken, ändert sich unter unserem Zugriff. Alles ist ständig im Fluss. Alles kann man von verschiedenen Seiten sehen. Nirgends gibt es definitive Antworten. Künstler können damit leben, im Strom zu schwimmen. Einfachere Gemüter wie die Verfasser dieses Buches brauchen von Zeit zu Zeit einen Halt. Sie bauen sich daher ein Gerüst, ein Schema, ein System, in dem sich die Dinge befestigen und ordnen lassen. Nur eines ist klar: Das System oder eher das Gerippe einer quasipositivistischen Rechtstheorie, das in den folgenden Kapiteln zusammengefügt wird, ist bloß ein Dummy. Dreinschlagen ist erlaubt.

[Stand der Bearbeitung Dezember 2023]


[1] Das klassische Beispiel bildet der erste Halbband des Lehrbuchs des Bürgerlichen Rechts von Ludwig Enneccerus in der Bearbeitung von Hans Carl Nipperdey, 15. Aufl. 1959.

[2] Hier war das wichtigste Beispiel die »Methodenlehre der Rechtswissenschaft« von Karl Larenz, 6. Aufl. 1991. Das Werk wurde über 3 Auflagen bis 1995 von Claus-Wilhelm Canaris fortgeführt und wird in einer gekürzten Studienausgabe weiter nachgedruckt. Das fraglos überragende Werk leidet unter dem Schatten der Vergangenheit von Karl Larenz in der Zeit des Nationalsozialismus; vgl. dazu Canaris, »Falsches Geschichtsbild von der Rechtsperversion im Nationalsozialismus« durch ein Porträt von Karl Larenz?, JZ 2011, 879-888; Marietta Auer, Claus-Wilhelm Canaris. Eine Erinnerung in fünf Bildern, JZ 2022, 629-639.

[3] Seit der Jahrtausendwende übernehmen Lehrbücher, die »Rechtstheorie« im Titel tragen, die Einführung in das juristische Denken, indem sie Basiswissen aus den Gundlagenfächern und die Methodenlehre zusammenführen, am erfolgreichsten Bernd Rüthers/Christian Fischer/Axel Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 12. Aufl. 2022. Kurz und gut: Klaus Adomeit/Susanne Hähnchen, Rechtstheorie für Studenten, 7. Aufl. 2018; Philipp Reimer, Rechtstheorie. Einführung, 2022.

[4] Damit folgen wir Rupert Schreiber, der die Aufgabe seiner kompakten »Allgemeinen Rechtslehre« von 1969 in der »Einführung in eine wissenschaftliche Rechtswissenschaft« sah (S. 1).

[5] Wie Beck und Grande für Politik- und Sozialwissenschaft (Ulrich Beck/Edgar Grande, Jenseits des methodologischen Nationalismus, Soziale Welt 61, 2010, 187-216).

[6] So firmiert jetzt die Abteilung des MPI für Rechtsgeschichte und Rechstheorie in Frankfurt a. M, der Marietta Auer vorsteht.

[7] Marietta Auer, Zum Erkenntnisziel der Rechtstheorie. Philosophische Grundlagen multidisziplinärer Rechtswissenschaft, 2018, 16.

[8] Kevin Tobia, Methodology and Innovation in Jurisprudence, Columbia Law Review 2023, 1–30 (Rezensionsabhandlung zu Julie Dickson, Elucidating Law, 2022.

[9] Der Aufbruch der neueren Rechtstheorie ist in drei Sammelbänden dokumentiert: Günther Jahr/Werner Maihofer (Hg.), Rechtstheorie, 1971; Arthur Kaufmann (Hg.), Rechtstheorie. Ansätze zu einem kritischen Rechtsverständnis, 1971; Hans Albert/Niklas Luhmann/Werner Maihofer/Ota Weinberger (Hg.), Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft = JbRSozRTh Bd. 2, 1972. Einführende Lehrbücher: Peter Koller, Theorie des Rechts, 2 Aufl. 1997; Philipp Reimer, Rechtstheorie, 2022. Alexander Somek (Rechtstheorie zur Einführung, 2017) zäumt die Rechtstheorie als skeptisches Unternehmen auf.

[10] Eine Folge ist, dass moderne Lehrbücher der Rechtsphilosophie viele rechtstheoretische Themen behandeln, z. B. Stephan Kirste, Rechtsphilosophie, 2 Aufl. 2020. Man kann daher meinen, dass die Rechtstheorie die Rechtsphilosophie ausgehöhlt habe. Auch neuere Dissertationen starten oft mit einer auführlichen rechtstheoretischen Einleitung; ein (positives) Beispiel: Gesine Voesch, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, 2021.

[11] Jürgen Schmidt, Die Neutralität der Rechtstheorie gegenüber der Rechtsphilosophie, RTh 2, 1971, 95-99.

[12] Dazu Ralf Dreier, Was ist und wozu allgemeine Rechtstheorie?, 1975.

[13] Er liegt dem von William Twining hg. Sammelband »Legal Theory and Common Law« (1986) zugrunde. Ebenso verfährt auch Stig Strömholm in seiner »Allgemeinen Rechtslehre«, 1976. Hubert Rottleuthner (Foundations of Law, 2005) nimmt die Rede von den »Grundlagen des Rechts« ernst und erörtert, was man darunter verstehen könnte.

[14] Kaufmann (Fn. 8), S. 12.

[15] Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. 1965; Michael Stolleis, Staat und Staatsräson in der frühen Neuzeit: Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts, 1990; ders., Konstitution und Intervention: Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts im 19. Jahrhundert, 2001; ders., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland: Weimarer Republik und Nationalsozialismus; 2002; ders., Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, 2003; Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967; ferner aus Italien Mario G. Losano, Sistema e Struttura nel Diritto, 3 Bde., 2002. Eine gute Darstellung auch im ersten Teil der Methodenlehre von Karl Larenz.

[16] Lesenswert Karlheinz Muscheler, Ein Klassiker der Jurisprudenz: »Der Kampf um die Rechtswissenschaft« von Hermann Kantorowicz, NJW 2006, 565-567.

[17] Vorläufig spricht man von der »Rechtswissenschaft in der Berliner Republik« (so der Titel eines 2018 von Thomas Duve und Stefan Ruppert hg. Sammelbandes), der zu dem Ergebnis kommt, dass sich jedenfalls durch durch die Wiedervereinigung im Vergleich zur »Bonner Republik« nicht so viel geändert habe. Sonja Buckel/Ralph Christensen/Andreas Fischer-Lescano (Hg.) bieten 18 verschiedene Ansätze als »Neue Theorien des Rechts« (2006) an: Demokratischer Positivismus – Dekonstruktion der Gerechtigkeit – Systemtheorie – Prozedurale Rechtstheorie – Critical Legal Studies – Neo-Materialistische Rechtstheorie – die »Nichttheorie« Giorgio Agambens – Theorien der radikalen Fragmentierung – Neopragmatismus – Nachpositivistisches Rechtsdenken – Davidsons Theorie der Interpretation – Psychoanalytische Rechtstheorien – Ökonomische Theorie des Rechts – Theorie transnationaler Rechtsprozesse – Evolutorische Rechtstheorie – Deliberative Rechtstheorie.

[18] Karl Heinz Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie. Selbstreferenz – Selbstorganisation – Prozeduralisierung, 2. Aufl. 1995; Alexander Somek/Nikolaus Forgó, Nachpositivistisches Rechtsdenken, 1996; Boaventura de Sousa Santos, Toward a New Legal Common Sense, 2. Aufl. 2002 (zum Verständnis und zur Kritik lesenswert Twining, Globalisation and Legal Theory, 2001, Kap. 8). Eine Darstellung aus der Sicht der modernen (amerikanischen) Rechtstheorie gibt Douglas E. Litowitz, Postmodern Philosophy and Law, 1997.

[19] Diese Tradition haben Annette Brockmöller und Andreas Funke aufgearbeitet: Annette Brockmöller, Allgemeine Rechtslehre als juristische Strukturtheorie. Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung der Rechtstheorie um 1900, 2004; Andreas Funke, Allgemeine Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 2004, ausführlich rezensiert von Nils Jansen, ARSP 92, 2006, 277-283. Während Brockmöller das ganze 19. Jahrhundert einbezieht, konzentriert sich Funke auf den Übergang zum 20. Jahrhundert und hier wiederum auf die Autoren Bierling und Somló.

[20] Funke (wie Fn. 17) S. 39 ff., 73 ff.; ders., Lässt sich juristische Objektivität auf eine »Allgemeine Rechtslehre« gründen?, ARSP Beiheft 103, 2005, 26, Fn. 4.

[21] Zf das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, 1, 1874, 1-10 u. 402-481; wieder abgedruckt in: Adolf Merkel, Hinterlassene Fragmente und Gesammelte Abhandlungen, Teil 2, Hälfte 1: Gesammelte Abhandlungen aus dem Gebiet der allgemeinen Rechtslehre und des Strafrechts, 1899 [Reprint 2019], S. 290-323.

[22] Rupert Schreiber, Allgemeine Rechtslehre, 1969.

[23] Leslie Green, General Jurisprudence: A 25th Anniversary Essay, Oxford Journal of Legal Studies 25, 2005, 565-580; Brian Z. Tamanaha, A General Jurisprudence of Law and Society, 2001; ders., What is ›General‹ Jurisprudence? A Critique of Universalistic Claims by Philosophical Concepts of Law, Transnational Legal Theory 2, 2015, 287-308 = SSRN 2018283, darin vergleicht Tamanaha die folgenden Titel: Scott J. Shapiro, Legality 2011; William L. Twining, General Jurisprudence. Understanding Law from a Global Perspective, 2009.

[24] Elucidating Law, 2022. Zu diesem Buch, das eine Art Meta-Rechtsphilosophie (philosophy of legal philosophy) bieten will, sind gleich zwei Rezensionsabhandlungen erschienen: Daniel Priel, Ways of Explaining Law, Modern Law Review 2024 = SSRN 4602339; Kevin Tobia, Methodology and Innovation in Jurisprudence, Columbia Law Review 2023, 1-30.

[25] Vgl. Stig Jörgensen, Über die Allgemeine Rechtslehre in Dänemark, ARSP Beih. N.F. 13, 1980, 25. Erwähnung verdienen Alf Ross, Om ret og retfaerdighed (Über Recht und Gerechtigkeit), 3. Aufl. 1971, sowie das Buch des finnischen Rechtsphilosophen Aulis Aarnio, Denkweisen der Rechtswissenschaft, 1979.

[26] Noberto Bobbio, Teoria generale del diritto, 1993; Mario Jori/Anna Pintore, Manuale di teoria generale del diritto, 1988. Die Tradition wird fortgeführt durch das neue Werk von Giovanni Sartor, Legal Reasoning. A Cognitive Approach to Law, 2005.

[27] Alvaro d’ Ors i Perez-Peix, Neue Einführung in das Studium des Rechts, 2022 (Nueva Introducción al Estudio del Derecho, 1999).

[28] Allgemeine Rechtslehre, S. 3. Neubauer  machte geltend, dass die Allgemeine Rechtslehre praktisch nichts bewirkt habe (Zur Kritik der »Allgemeinen Rechtslehre«, ARSP 33, 1939/40, 352-357). Er meinte, die Allgemeine Rechtslehre habe durch ihre Beschränkung auf das positive Recht eine interdisziplinäre Entwicklung der Rechtswissenschaft eher gelähmt. Das sei »tragisch, denn einst ging sie (Merkel, Post, Ihering) von dem entgegengesetzen Bestreben aus« (S. 355).

[29] Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, 1913. Reinach sucht mit Hilfe der Phäomenologie Hussrls einen Weg zwischen Allgemeiner Rechtlslehre und Naturrecht. Zusammenfassung des Inhalts bei Karlheinz Muscheler, Relativismus und Freirecht, 1884, S. 61f; (kritische) Rezension von Hermann Kantorowicz in der Zeitschrift Logos VIII, 1919/220, 111-115.

[30] Rechtsphilosophie, S. 219.

[31] Klaus Adomeit sagt von ihm, er bilde »die ältere, im Grunde korrektere Bezeichnung« für Rechtstheorie (Rechtstheorie für Studenten, 4. Aufl. 1998, S. 14). Ähnlich Hans-Martin Pawlowski/Stefan Smid, Artikel »Allgemeine Rechtslehre«, in: Lexikon des Rechts, 1985, und Werner Krawietz, Recht ohne Staat?, RTh 24 1993, 81/105.

[32] Hans Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl. 1948, 5.

[33] So der Titel eines Sammelbandes, hg. von Eric Hilgendorf und Helmuth Schulze-Fielitz, 2015.

[34] Wir fühlen uns dadurch bestätigt, dass neuerdings Marietta Auer (wie Fn. 7), S. 36, 73) genau diese Mischung für eine »neue Rechtstheorie« reklamiert. Auer spricht insoweit von bricolage und zitiert dazu Claude Lévi-Strauss, auf den dieser Begriff zurückgeht (S. 36 Fn. 58). Sie beruft sich ferner auf Derrida und auf Thomas Gutmann, der seinerseits auf Foucault rekurriert (Thomas Gutmann, Intra- und Interdisziplinarität: Chance oder Störfaktor?, in: Eric Hilgendorf/Helmuth Schulze-Fielitz (Hg.), Selbstreflexion der Rechtswissenschaft, 2015, 92-116, S. 113 Fn. 113). Sie hätte Hubert Treiber anführen können, der diesen Gedanken schon 1992 und erneut 2007 von Lévi-Strauss rezipiert hatte, um den Umgang der Juristen mit fremddisziplinärem Wissen zu charakterisieren (Trägt die Vorschriftenbereinigung zum effektiveren Vollzug bei? Oder die Entdeckung des versierten »Bastlers« im »Vorschriftendschungel«, KJ 1992, 32-45; Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft – eine »Revolution auf dem Papier«?, (Teil 1), KJ 2007, 328-346, S. 338ff).

[35] Andreas Funke (wie Fn. 17 S. 8 ff) unterscheidet zwischen einer philosophischen, einer strukturalen, einer komparativen, einer positiv-rechtlichen und einer integrativen Allgemeinen Rechtslehre. Einteilungsgesichtspunkt ist teils die theoretische Perspektive, teils die Quelle des Materials, teils der Zweck. Felix Somlós »Grundlehren der Rechtswissenschaft« (1917) wären danach struktural, und was Somló als Allgemeine Rechtslehre bezeichnete, wäre positiv-rechtlich (S. 8 ff). Letztere sollte sozusagen den Allgemeinen Teil der Allgemeinen Teile liefern. Die Grundlehren dagegen sollten das Recht allein als Form ohne Rücksicht auf irgendwelche Inhalte betrachten. Somló sah durchaus, dass die Trennung von Form und Inhalt problematisch ist. Tatsächlich ist die Form ohne Inhalte leer.

[36] Eine integrierende General Jurisprudence fordert Julie Dickinson, wiewohl sie selbst ihren Ansatz als pluralistisch auszeichnet. Nach Ansicht ihres Kritikers Dan Priel verfährt sie nicht wirklich pluralistisch, weil sie die Einbeziehung verschiedener Perspektiven davon abhängig macht, dass zunächst die Natur des Rechts bestimmt werden müsse, bevor man andere Perspektiven auf das Recht rezipieren könne. Priel nennt das den priority-of-philosophy view (S. 12). Priels Einwand trifft unsere Allgemeine Rechtslehre nicht, weil wir auf eine apriorische Rechtsdefinition verzichten (u. § 9xxx). Dennoch ist die Allgemeine Rechtslehre nicht »pluralistisch«, weil sie andere Disziplinen und Perspektiven ihrem Zweck unterordnet, mögen sie auch als Wissenschaft gleichberechtigt daherkommen. Als Integrationsmethode bleibt jedoch in der Tat nur, was Dickinson indirectly evaluative philosophy nennt. Wir sprechen von der Vorbereitung und Begründung von Werturteilen.

[37] Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 34 u. 114.

[38] Vgl. das ausführliche Zitat aus Kelsens Kritik an Eugen Ehrlichs Rechtssoziologie u. § XXX.

[39] So eine These von Eric Hilgendorf, Die Renaissance der Rechtstheorie zwischen 1965 und 1985, 2005.

[40] Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie, 5. Aufl. 1956, 114. Andreas Funke weist darauf hin, dass die Distanzierung der Allgemeinen Rechtslehre von der Rechtsphilosophie bei Bierling und Somló ihre Ursache in der Trennung von Recht und Moral als Folge der Vollpositivierung des Rechts hat (ARSP Beiheft 103, 2005, 25/29). Vgl. auch Matthias Jestaedt, Rechtstheorie als Euthanasie der Rechtsphilosophie? Hans Kelsens Ergänzungsthese gegen Gustav Radbruchs Verdrängungsthese, in: Deutsches Jahrbuch Philosophie 2, 2011, 282-308.

[41]Vgl. Stéphane Boutin, Die Dramatisierung der Macht: Zur Genealogie von Foucaults Metapher der Werkzeugkiste, Le Foucaldien 1, 2015, DOI: 10.16995/lefou.10.

[42] Gustav Radbruch, Gesamtausgabe in 20 Bänden ab 1987, hg. von Arthur Kaufmann. Wir zitieren die »Rechtsphilosophie« nach der 5. Aufl. von 1956, die der ältere der Verf. dieses Buches als Student erworben hatte. Hans Kelsen Werke, hg. von Matthias Jestaedt, bisher 6 Bde ab 2007; wir zitieren die »Reine Rechtslehre« nach der 2. Aufl. von 1960. Für die Werke Immanuel Kants hat sich die so genannte Akademieausgabe als Standard durchgesetzt. Sie wurde auf Initiative Wilhem Dilthey aus dem Jahr 1893 von einer Kant-Kommission der damaligen Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften verantwortet und begann 1900 zu erscheinen. Die Ausgabe ist zwar immer noch nicht ganz abgeschlossen, aber die ersten 23 Bände mit allen wichtigen Werken sind urheberrechtsfrei im Internet zu finden. Wir zitieren die Klassiker in der Regel nur mit der Angabe des Werktitels und des Erscheinungsjahrs.

[43] Der Begriff der Geschichte, in: Walter Benjamin, Gesammelte Werke 1991, S. 690-704 [1940].

[44] Christoph Menke, Kritik der Rechte, 2015.

[45] Chantal Mouffe, On the Political, 2005.

[46] Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte, Europäische Rundschau 1989 Nr. 4, S. 3, original in: The National Interest, Summer 1989.

[47] Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, 4. Aufl. 1975, S. 162. Dazu K. F. Röhl, Der konfliktsoziologische Ansatz in der Rechtssoziologie, RTh 8, 1977, 93-119.

[48] Gayatri Chakravorty Spivak, Can the Subaltern Speak?, in: Patrick Williams/Laura Chrisman (Hg.), Colonial Discourse and Post-Colonial Theory, 1994, 66-111; ders., Righting wrong — Unrecht richten. Über die Zuteilung von Menschenrechten, 2008 [2004]; Philipp Dann (Hg.), (Post)Koloniale Rechtswissenschaft, Geschichte und Gegenwart des Kolonialismus in der deutschen Rechtswissenschaft, Tübingen 2022; Patricia Purtschert, Kolonialität und Geschlecht im 20. Jahrhundert. Eine Geschichte der weißen Schweiz, 2019.

[49] MariettaAuer (wie Fn. 7) S. 30.

[50] Für Benennung und Begründung schließen wir uns Dietmar von der Pfordten an (Rechtsethik 2001; ders., Normativer Individualismus und das Recht, JZ 2005, 1069-1080). Dagegen steht nach Ansicht von Winfried Brugger der »Kommunitarismus als Sozialtheorie und Verfassungstheorie des Grundgesetzes« (AöR 123, 1998, 337-374). Auer (wie Fn. 7, S. 40) bescheinigt dem normativen Individualismus »die fundamentale Unzulänglichkeit als globale sozialphilosophische Legitimationstheorie«. Eine grundlegende Auseinandersetzung führt Thomas Gutmann, Zur philosophischen Kritik des Rechtspaternalismus, in: Ulrich Schroth (Hg.), Patientenautonomie am Beispiel der Lebendorganspende, 2006, 189-277.

[51] J. P. Grice, Logic and Conversation, in: Peter Cole (Hg.), Speech Acts, 1975, 41-58.